Schwarzer Kuss Der Nacht
was sie sich mehr als alles andere wünschte, war ausgeschlossen, denn Nick war nicht mehr da.
Das Gefühl, das irgendetwas los war, hielt an, bis ihr die Ereignisse des Abends einfielen. Preston war in ihre Wohnung eingebrochen, hatte sie bewusstlos geschlagen, und nun hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand.
Egal, wie angestrengt sie sich umsah, hier herrschte tiefste Finsternis. Bei aller Sorge regte sich Angst in ihr. War sie tot?
Nein, versicherte sie sich rasch. Sie könnte nicht denken,wenn sie tot wäre. Also lebte sie, war offensichtlich wach und … blind? Warum sonst konnte sie nicht sehen? Und taub musste sie wohl auch sein, denn so aufmerksam sie auch horchte, war nur unheimliche Stille um sie herum.
Aber da war doch eine Stimme gewesen.
Mai.
Ja, da war sie wieder, und Mai begriff jetzt auch, wer ihren Namen rief.
»Nick?«
Mai, Gott sei Dank, du kannst mich hören!
»Wo bist du? Warum kann ich dich nicht sehen?« Dem Klang nach konnte er nämlich neben ihr stehen.
Ich bin noch in der Wunschdimension.
»Aber ich höre dich doch!«
Du hörst meine Gedanken
.
Wie war das möglich? Sie war schließlich wach.
Ich verstehe nicht.
Diesmal dachte sie es, statt es laut zu sagen.
Wir sind geistverwandt
, erklärte er.
Unsere Verbindung ist in erster Linie spirituell und erst in zweiter physisch. Egal, wie weit wir voneinander entfernt sind, auf der spirituellen Ebene können wir jederzeit mit dem anderen sprechen.
Sie war nicht allein! Das zu wissen milderte ihre Furcht enorm.
Ich würde mir trotzdem wünschen, du wärst auch physisch bei mir
, sagte sie ihm, während der Schmerz in ihrer Brust stärker wurde.
Ich mir auch – von ganzem Herzen.
Beide schwiegen für einen Moment, weil sie mit ihren Gefühlen rangen.
Wo ist Preston?
, fragte Nick nach einer Weile.
Ich weiß es nicht. Ich kann nichts sehen.
Du musst ihn aufhalten.
Wäre die Lage nicht so bitterernst, hätte sie über seinenabsurden Vorschlag gelacht. Hätte sie Preston nicht längst aufgehalten, wenn sie dazu imstande wäre?
Kein Problem!
, dachte sie mit einer gesunden Portion Sarkasmus.
Und was schlägst du vor, wie ich das anstellen soll?
Ja, wie?
, mischte Prestons Stimme sich ein. Dann lachte er.
Ich bin in dieser Dimension genauso zu Hause wie du, Geistwanderer. Vielleicht sogar noch heimischer.
Lass sie in Ruhe!
, warnte Nick ihn.
Oder was?
Dröhnendes Lachen erklang, als Nick nicht antwortete.
Ja, dachte ich mir. Sag Lebewohl zu deiner Freundin, Geistwanderer!
Sarahs Fehler muss nicht deiner sein
, gab Nick noch rasch von sich, bevor seine Stimme schwächer wurde.
Ich liebe dich, Mai.
Nick war fort und Mai allein – abgesehen von Preston. Nick hatte versucht, ihr etwas zu sagen. Nun musste sie herausfinden, was er gemeint hatte. Welchen Fehler hatte Sarah gemacht? Wann?
Sie schoss hoch und japste nach Luft, als eiskaltes Wasser in ihr Gesicht klatschte. Preston stand ein Stück vor ihr und hielt einen Blecheimer in der Hand.
»Ich wollte nur sicher sein, dass du wirklich wach bist«, erklärte er grinsend.
»Was haben Sie mit mir vor?«
»Dich umbringen, wie versprochen.«
Seine Stimme brummte eintönig weiter. Er erzählte ihr, wie genau er sie zu töten gedachte, doch Mai hörte ihm gar nicht mehr zu. Worin hatte Sarahs Fehler bestanden?
Das Scheppern des Eimers auf dem Boden holte Mai wieder in die Gegenwart zurück. »Zeit, zu gehen, Prinzessin«, höhnte Preston. »Steh auf!«
»Ich weiß nicht, ob ich kann«, entgegnete sie, währendsie sich besonders kraftlos gab. »Meine Beine sind steif vom langen Liegen auf dem kalten Boden.«
»Dann freut es dich gewiss, dass du bald zu tot sein wirst, um dich mit derlei Beschwerden herumzuplagen.« Trotzdem kam Preston zu ihr und packte ihren Arm. Sobald er sie nach oben zog, schlang sie ihren anderen Arm um ihn und hielt ihn fest, denn jetzt wusste sie, welchen Fehler Sarah gemacht hatte.
Blitzschnell teleportierte sie zurück in ihre Wohnung, vor den Spiegel.
Nick wartete neben dem Portal, und in dem Moment, in dem Mai und Preston auftauchten, langte er hinaus und zerrte den Keltokdämon durch den Spiegel.
Hinter ihnen schloss sich das Portal, aber Nick ließ den Dämon nicht los, bis er ihn weiter in das Reich gezogen hatte. Über ihnen schwebten die gelben Fäden unerfüllter Wünsche. Stimmen hallten um sie herum wie die Klagen längst vergessener Geister.
»Du kannst mich nicht hier behalten!«, zischte Preston, der sich Nick zu entwinden
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