Schwarzer Kuss Der Nacht
vorstellen, in deren Zentrum das physische Reich liegt. Die spirituelle Ebene, die dem am nächsten ist, betrete ich, wenn ich nach Restenergiemustern suche. Sie sind der physischen Welt am verwandtesten. Weiter außen sind die Schichten, die für unterschiedliche Bewusstseinsbereiche stehen: Träume, Wünsche, unbewusste Gedanken, tiefe Psychosen. Kannst du mir folgen?«
Wieder nickte sie.
»Okay, jetzt stell dir die Zwiebel vor, wie Picasso sie gemalt hätte, verzerrt und mit mehreren Schichten, die in andere hinein3fließen. Falls Jenna sich in sich zurückgezogen hat, muss ich mich durch die Schichten arbeiten und herausfinden, in welcher ihr Bewusstsein sich versteckt. Dann muss ich sehen, was es dort festhält. Wie ich ihr helfe, hängt davon ab, was ich finde. Eines kann ich dir jetzt schon sagen: Egal, was ihr so viel Angst macht, dass sie sich ihm nicht stellen will – es wird unschön.«
Mai sah ihn ernst an. »Ich verstehe.«
»Gut, denn du kommst mit mir!«
Kapitel 14
Was?«
»Ich dachte, du willst helfen.«
»Will ich auch, aber ich kann nicht geistwandern.« »Du weißt, wie man träumt«, entgegnete er. »Es ist ziemlich ähnlich.«
Der Gedanke schien ihr nicht zu behagen. »Okay.«
»Beim ersten Mal«, fuhr er fort, »wird es leichter für mich, dich durch das Traumreich zu führen, während du schläfst. Deshalb gehen wir etwas essen und danach ins Kino oder spazieren.«
»Wie bitte?«, fragte sie misstrauisch. »Das hört sich eher wie ein Date an als ein Ausflug ins Geisterreich.«
»Zu deiner Beruhigung: Das Essen, der Spaziergang oder der Film sollen bewirken, dass du müde wirst und besser einschläfst, wenn es Zeit zum Traumwandeln ist.«
»Ah ja, das leuchtet mir ein«, sagte sie. »Na gut.«
Er sah sie prüfend an. »Hast du noch Fragen oder Bedenken, über die wir vorher reden sollten?«
»Nein, keine Bedenken«, antwortete sie in einem Tonfall, der fast glaubwürdig war. »Ich habe keine Angst vor dem bösen Traumkobold.«
»Das solltest du aber.«
Sie wollte loslachen, als ihr auffiel, dass er nicht einmal lächelte. »Den gibt es doch nicht, oder?«
»Angeblich schon. Es heißt, er lebt im Traumreich und nährt sich von der Unsicherheit und der Angst der Träumenden.Aber mach dir keine Sorgen. Ich passe auf, dass dir nichts geschieht. Bleib einfach in meiner Nähe.«
»Worauf du dich verlassen kannst! Das klingt alles nicht besonders verheißungsvoll.«
Leider blieben die Beteuerungen, auf die sie hoffte, aus. Stattdessen sah Nick zu der Uhr neben seinem Bett. »Gehen wir! Je eher wir das durchziehen, umso besser.«
Sie verließen seine Wohnung und gingen in ein nettes italienisches Restaurant. Anscheinend hatte Nick eine Vorliebe für die italienische Küche. Er achtete darauf, dass sie eine große Portion Lasagne aß und mindestens zwei Gläser Wein trank. Natürlich tat er es, damit sie schläfrig wurde, und es funktionierte. Der Film, in den er sie nach dem Essen schleppte, war gut und nicht zu actiongeladen, und der anschließende Spaziergang durch die kühle Nachtluft entspannte sie. Bis sie Stunden später ins Krankenhaus kamen, war Mai tatsächlich müde.
Wie die diensthabende Schwester berichtete, hatte Jennas Zustand sich nicht verändert, was bedeutete, dass der Ausflug in das Traumreich nach wie vor aktuell war. Obgleich Mai diejenige gewesen war, die Nick hierzu gedrängt hatte, regten sich nun Zweifel in ihr. Was wäre, wenn sie beide im Traumreich auf einige von ihren eigenen Dämonen trafen? Bei dem Gedanken fröstelte sie.
»Suchen wir uns ein leeres Zimmer«, entschied Nick, der ihre Hand hielt, während sie den Flur hinuntergingen. Hier waren alle Zimmer belegt, also nahmen sie den Fahrstuhl und fuhren in den nächsten Stock. Auch dort gab es keine freien Zimmer, und Mai fragte sich, was sie tun sollten, wenn sie in der ganzen Klinik keines entdeckten.
Auf der vierten Etage hatten sie doch noch Glück. Der eine Flügel wurde renoviert. Die Arbeiten waren so gut wieabgeschlossen, die Zimmer hingegen wurden noch nicht wieder genutzt.
Sie eilten bis ans Ende des Flurs und sahen sich kurz um, ob auch niemand sie bemerkte, ehe sie in das letzte Zimmer schlüpften. Drinnen war es dunkel, aber in dem Licht, das durch die Tür hereinfiel, konnte Mai erkennen, dass der Raum bereits möbliert war.
»Das muss gehen«, meinte Nick.
»Wenn sie uns hier erwischen, brauchen wir eine sehr gute Ausrede.«
»Das lass meine Sorge sein! Außerdem wird
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