Schwarzer Mittwoch
Vater und diese Frau«, begann Yvette, nachdem sie sich vorgestellt hatten.
»Ein bisschen.«
»Was hast du empfunden, als du davon erfahren hast?«
»Was glauben Sie denn?«
»Ich würde es gern von dir hören.«
»Besonders glücklich war ich darüber jedenfalls nicht. Überrascht Sie das?«
»Nein, natürlich nicht. Warst du wütend?«
»Warum sollte ich deswegen wütend sein?«
»Weil dein Vater deiner Mutter untreu war.«
»Es spielt keine Rolle, was ich empfinde.«
»Könntest du uns bitte sagen, wo du am Mittwoch, dem sechsten April, warst?«
Ben wirkte erst verblüfft und dann auf eine grimmige Weise amüsiert.
»Ist das Ihr Ernst?«
»Ja.«
»Na schön, wenn Sie meinen. Ich bin noch Schüler. Ich war in der Schule.«
»Kannst du das beweisen?«
Er zuckte mit den Achseln.
»Ich bin in der Oberstufe. Manchmal gehen wir irgendwohin, wenn wir eine Freistunde haben. Wir gehen einen Kaffee trinken oder machen einen Spaziergang.«
»Aber nicht den ganzen Tag lang. Und wenn du einen Kaffee trinken gehst oder einen Spaziergang machst, dann doch bestimmt in Begleitung. Die betreffenden Mitschüler können das sicher bestätigen.«
»Keine Ahnung. Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Er zuckte wieder mit den Achseln.
»Hör mal«, mischte Munster sich ein, »als Erstes würde ich dir raten, das Ganze ein bisschen ernster zu nehmen. Eine Frau ist getötet worden. Drei Kinder haben ihre Mutter verloren. Da wollen wir keine Zeit vergeuden, indem wir falschen Spuren nachgehen. Wir erwarten also erstens von dir, dass du uns ein wenig Respekt entgegenbringst, und zweitens, dass du in die Gänge kommst und deinen Terminkalender durchschaust oder dein Telefon zückst, um mit deinen Freunden zu sprechen und uns eine plausible und lückenlose Aufstellung darüber lieferst, was du den ganzen Mittwoch gemacht hast. Denn wenn wir uns selber darum kümmern müssen, werden wir darüber gar nicht glücklich sein. Haben wir uns verstanden?«
»Ganz wie Sie meinen«, antwortete Ben. »Betrifft das nur mich, oder werden Sie Josh damit auch nerven?«
»Soweit wir wissen, war dein Bruder zum betreffenden Zeitpunkt knapp zweihundertfünfzig Kilometer entfernt. Aber das klären wir noch mit ihm selbst.«
»Darf ich jetzt endlich gehen?«, maulte Ben. »Ich habe noch Hausaufgaben zu erledigen.«
Als sie wieder im Wagen saßen, fragte Yvette, ob sie einen kurzen Abstecher in die Warren Street machen könnten.
»Geht es dabei etwa um Frieda?«, wollte Munster wissen.
»Warum sollte es dabei nicht um Frieda gehen?«
»Ich meine ja nur.«
Als Frieda die Tür öffnete, sah Yvette über ihre Schulter hinweg, dass Gäste da waren. Abgesehen von Josef kam ihr niemand bekannt vor. Ein paar Sekunden lang starrten sich die beiden Frauen an, dann trat Frieda zur Seite und bat Yvette herein, doch die schüttelte nur den Kopf.
»Warum haben Sie sich wegen der Anzeige an mich gewandt?«, fragte sie.
»Wenn das für Sie ein Problem ist«, entgegnete Frieda, »dann sagen Sie es einfach.«
»So war das nicht gemeint.« Yvette warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob Munster zuhörte, aber er saß noch im Wagen und hatte Kopfhörer auf, so dass er ihnen keinerlei Beachtung schenkte. »Seit Ihrer Verletzung haben wir noch gar nicht richtig miteinander gesprochen.«
»Wir haben noch nie richtig miteinander gesprochen.«
»Tja, stimmt.« Yvette biss sich auf die Unterlippe. »Jedenfalls bin ich noch nicht dazu gekommen, Ihnen ein paar Sachen zu sagen, die ich schon längst loswerden wollte, und als dann Ihr Anruf kam, wusste ich nicht recht, wie ich ihn interpretieren sollte.«
»Sie brauchen ihn nicht zu interpretieren«, erwiderte Frieda. »Alles, was es zu der Sache zu sagen gibt, habe ich Ihnen schon am Telefon erklärt. Ich hatte einfach das Gefühl, dass Karlsson es satt hat, hinter mir aufzuräumen.«
»Und jetzt bin ich an der Reihe?«
»Wie gesagt, wenn Sie damit ein Problem haben …«
»Ich habe bei den Kollegen unten in Waterloo angerufen und … hören Sie, Frieda, was Sie da gemacht haben, war nicht sehr klug. Zugegeben, dieser Mistkerl Bradshaw hat sich zum Ziel gesetzt, Sie zu demütigen. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, hätte ich auch den Wunsch, es ihm heimzuzahlen. Aber auf die Art, wie Sie das tun, geht es einfach nicht. Sie handeln sich dadurch eine Menge Ärger ein.«
»Sie meinen also, ich stecke in Schwierigkeiten.«
»Ich habe mit dem Beamten telefoniert, der bei Ihnen war, und ihm
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