Schwarzer Mittwoch
unbedingt hilfreich für ihn war. Er fand bei ihr Trost, aber keine Selbsterkenntnis. Doch inwieweit war es überhaupt sinnvoll, sich voll und ganz mit sich selbst zu konfrontieren?
Ein Strahl Frühlingssonne fiel schräg in den Raum und lag wie eine Klinge quer über dem Boden, während Frieda im Anschluss an ihre Sitzung über diese Dinge nachdachte und sich ihre üblichen Notizen machte. Plötzlich begann ihr Handy in ihrer Tasche zu vibrieren. Sie zog es heraus: Sasha.
»Ich breche gerade von der Arbeit auf. Hast du Zeit?«
»Ja.«
»Kann ich bei dir vorbeikommen?«
»Klar. In einer halben Stunde bin ich zu Hause – passt das?«
»Perfekt. Ich bringe eine Flasche Wein mit. Und Frank.«
»Frank?«
»Ist das in Ordnung?«
»Natürlich.«
»Ich bin ein bisschen nervös – als würde ich ihn gleich meiner Familie vorstellen. Ich wünsche mir so sehr, dass du ihn magst.«
Im sanften Licht der Abenddämmerung spazierte Frieda nach Hause. Auf dem Gehsteig lagen Blütenblätter. Sie dachte an Rajit Singh und seine Geschichte, die in Wirklichkeit die Geschichte einer anderen Person war. Gleich an diesem Abend würde sie Agnes Flint eine Nachricht senden. Sie dachte auch an Joe und dann an Sashas Stimme, die am Telefon so glücklich geklungen hatte. Während sie ihre Haustür aufsperrte, fragte sie sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie endlich wieder ein heißes Bad nehmen konnte und kein Staub mehr durch ihre Räume wirbelte.
Irgendetwas blockierte die Tür, sie brachte sie nur ein Stück weit auf. Stirnrunzelnd zwängte sie sich durch den schmalen Spalt hinein in die Diele. Hinter der Tür lagen zwei große Taschen und daneben eine Jacke. Aus ihrer Küche drangen Stimmen und Gelächter. Es roch nach Zigarettenrauch. Sie drückte auf den Lichtschalter, doch das Licht ging nicht an.
»Hallo?«, rief sie, woraufhin die Stimmen für einen Moment verstummten.
»Frieda!« Josef erschien in der Küchentür. Obwohl er noch seine Arbeitskleidung trug, hielt er ein Glas in der Hand, vermutlich Wodka, denn wie es aussah, hatte er bereits Probleme, gerade zu gehen. »Komm herein zu uns!«
»Was ist denn hier los? Wem gehören die Taschen?«
»Hallo, Frieda.« Chloë tauchte neben Josef auf. Sie trug etwas, das für Frieda wie ein Pulli aussah, wahrscheinlich aber als Kleid gedacht war, weil darunter kein Rock zum Vorschein kam. Ihr Gesicht war mit Wimperntusche verschmiert, und sie hielt ebenfalls ein Glas Wodka in der Hand. »Ich bin dir so dankbar. So dankbar!«
»Was soll das heißen, du bist mir dankbar? Was habe ich für dich getan? Jack!« Jack kam die Treppe heruntergeschwankt. »Was ist hier eigentlich im Gange? Eine Party?«
»Eine Versammlung«, antwortete Jack leicht betreten. »Chloë hat mich gebeten vorbeizukommen.«
»Ach, hat sie das? Und warum funktioniert das Licht nicht?«
»Tja.« Josef nahm einen hastigen Schluck von seinem Wodka. »Probleme mit der Elektrik.«
»Was soll das heißen – sind das deine Taschen, Chloë?«
»Frieda!«, röhrte eine fröhliche Stimme.
»Reuben? Was macht denn Reuben hier?«
Frieda eilte an Josef und Chloë vorbei in die Küche. Auf den Fenstersimsen und den Arbeitsflächen brannten jede Menge Kerzen, und in der Luft hingen bläuliche Rauchschwaden. Auf dem Tisch stand eine offene Wodkaflasche, daneben ein Aschenbecher mit mehreren ausgedrückten Kippen. Angelockt durch Friedas Stimme, polterte der Kater durch die Katzenklappe, wand sich um ihre Beine und versuchte, durch klägliches Miauen auf sich aufmerksam zu machen. Reuben, der mit halb aufgeknöpftem Hemd am Tisch lümmelte, die Füße auf einem Stuhl, hob sein Glas und prostete ihr zu.
»Ich bin gekommen, um meinen lieben Freund Josef zu besuchen«, verkündete er, »und natürlich auch meine liebe Freundin Frieda!«
Frieda riss die hintere Tür auf, um den Rauch hinauszulassen.
»Kann mir irgendjemand erklären, was hier los ist? Als Erstes möchte ich wissen, warum das Licht nicht funktioniert. Was habt ihr damit angestellt?«
Josef sah sie leicht beleidigt an und hob gleichzeitig beide Hände.
»Die Leitungen sind versehentlich gekappt worden.«
»Du wolltest wohl sagen: Ich habe versehentlich die Leitungen gekappt.«
»Es ist kompliziert.«
»Warum stehen deine Taschen in der Diele, Chloë? Fährst du irgendwohin?«
Chloë stieß ein hysterisches kleines Kichern aus, das sofort in einen Schluckauf überging.
»Es ist eher so, dass ich gerade angekommen bin«, erklärte
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