Schwarzer Mittwoch
Doch nun war es ruhig, mal abgesehen von zwei jungen Frauen, die auf dem Tennisplatz am anderen Ende ein Match austrugen. Frieda lehnte sich mit dem Rücken an eine der alten Platanen, einen Baum mit gewaltigem Umfang und fleckiger Rinde. Sie schloss die Augen und hielt das Gesicht in die Sonnenstrahlen, die durch das Laub fielen. Vielleicht sollte sie Sandys Rat befolgen und nach New York ziehen, wo sie in Sicherheit wäre und mit dem Mann leben könnte, den sie liebte – und der ihre Liebe erwiderte und sie auf eine Weise kannte wie noch kein Mensch vor ihm. Doch dann wäre es ihr nicht mehr möglich, im Schatten dieses schönen alten Baums zu sitzen und zu genießen, wie der Tag langsam in den Abend überging.
Als sie sich schließlich wieder erhob, stand die Sonne bereits sehr tief, und die Luft wurde allmählich kühl. Sehnsüchtig dachte sie an ihre Badewanne. Da fiel ihr Chloë ein, und sie holte ihr Handy heraus.
Olivias Stimme klang brüchig. Frieda fragte sich, ob sie getrunken hatte.
»Ich nehme an, Chloë hat dir alle möglichen schrecklichen Lügen über mich erzählt.«
»Nein.«
»Du brauchst gar nicht so zu tun, als hättest du keine Ahnung. Keiner braucht so zu tun. Ich weiß genau, was ihr alle von mir denkt.«
»Keine Sorge, ich …«
»Was für eine schlechte Mutter. Was für eine Chaotin. Mit der wollen wir nichts mehr zu tun haben.«
»Jetzt lass es gut sein, Olivia!« Frieda hörte selbst, wie schroff und streng ihre Stimme klang. »Du hast ein Problem, über das du dich mal mit jemandem unterhalten musst, so viel ist klar. Aber ich rufe dich nicht an, weil ich nichts mehr mit dir zu tun haben will, sondern weil ich mit dir über Chloë sprechen will.«
»Sie hasst mich.«
»Nein, sie hasst dich nicht. Trotzdem ist es wahrscheinlich ganz gut, wenn sie mal ein paar Tage bei mir bleibt, bis du wieder in Ordnung bist.«
»Du redest, als wäre ich eine Sockenschublade.«
»Sagen wir, eine Woche.« Als sie an ihr ordentliches Heim dachte, ihren sicheren Hafen, wo nun Chloë mit ihrem Chaos und ihrem Hang zur Dramatik hauste, überfiel sie fast so etwas wie Panik. »Ich komme morgen Abend bei dir vorbei, dann können wir über alles reden und gemeinsam eine Art Aktionsplan aufstellen. Um halb sieben.«
Sie beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ein. Ihr eigener Plan für den vor ihr liegenden Abend war, ein sehr langes, sehr heißes Bad in ihrem neuen, bildschönen Badezimmer zu nehmen und dann ins Bett zu gehen, wo sie sich die Decke über den Kopf ziehen und all ihre quälenden Gedanken aussperren würde – in der Hoffnung, dass sie ausnahmsweise mal nichts träumte oder sich am nächsten Morgen zumindest nicht daran erinnerte.
Als sie ihr Haus betrat, lagen auf der Türmatte mehrere Paar schmutziger Schuhe, daneben ein Lederranzen und eine Jacke, die sie nicht kannte. Aus der Küche schlug ihr ein stechender Geruch entgegen. Irgendetwas verkokelte dort gerade, und der Rauchmelder schrillte derart durchdringend, dass Frieda das Gefühl hatte, als käme es aus dem Innern ihres Kopfes. Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, aus ihrem eigenen Haus zu flüchten und alles, was dort vorging, hinter sich zu lassen. Stattdessen stellte sie in der Diele den Rauchmelder ab und rief dann nach Chloë. Doch die reagierte nicht. Nur die Katze schoss plötzlich an ihr vorbei und die Treppe hinauf.
Die Küche war voller Qualm. Frieda sah, dass der Griff ihrer Bratpfanne bereits Blasen warf und seltsam verdreht wirkte. Daher also der Gestank. Auf dem verschmierten, klebrig glänzenden Tisch standen Bierdosen, leere Gläser, eine hübsche Schale, die als Aschenbecher missbraucht worden war, und zwei benutzte Teller. Leise fluchend riss Frieda die Hintertür auf. Mitten im Garten stand Chloë, und weiter hinten entdeckte Frieda auch Ted. Er saß auf dem Boden, den Rücken an die Gartenmauer gelehnt, die Knie bis zum Kinn hochgezogen. Um ihn herum lagen etliche Zigarettenkippen verstreut, und zu seinen Füßen stand eine Bierdose.
»Chloë.«
»Ich habe dich gar nicht kommen hören.«
»Da drinnen sieht es ziemlich schlimm aus.«
»Wir hätten schon noch aufgeräumt.«
»Ich habe gerade mit Olivia gesprochen. Du kannst eine Woche hierbleiben …«
»Super.«
»Aber du musst dich an ein paar Regeln halten. Es ist mein Haus, und ich erwarte, dass du achtsam mit ihm umgehst – mit mir auch. Alles, was du benutzt, wird wieder aufgeräumt, und zwar ordentlich. Und im Haus wird
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