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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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können daran nichts ändern. Wir sind traurig. Worte ändern daran nichts.«
    »Die Polizei hatte eine Frau dabei«, bemerkte Judith.
    »Ach ja, die.« Teds Stimme triefte vor Verachtung. »Die nickte bloß die ganze Zeit, als hätte sie irgendein tiefes Verständnis für Schmerz.« Auf seinen Wangen leuchteten mittlerweile hektische rote Flecken. Er ließ sich mit seinem Stuhl schräg nach hinten sinken, bis er nur noch auf einem Stuhlbein balancierte, und begann sich langsam zu drehen.
    »Mum konnte es nicht ausstehen, wenn er das machte.« Judith nickte zu ihrem Bruder hinüber. »Die ganze Familie hat sich darüber aufgeregt.«
    »Jetzt kann ich es machen, so oft ich will, und keiner regt sich mehr darüber auf.«
    »Da irrst du dich aber«, widersprach Frieda. »Ich glaube, ich bin da derselben Meinung wie deine Mutter. Ich finde es sehr irritierend – und gefährlich.«
    »Können wir bitte nach Hause gehen?«, meldete Judith sich wieder zu Wort. »Ich möchte Dad nicht so lange mit Louise allein lassen. Die ist heute so miesepetrig und macht alles schlecht.« Sie stockte. In ihren Augen standen Tränen, die sie krampfhaft wegblinzelte. »Ich finde, wir sollten nach Hause gehen«, wiederholte sie.
    Ted brachte seinen Stuhl zurück in eine normale Position und erhob sich. Spindeldürr und ungepflegt wie immer stand er vor Frieda. »Danke für den Toast.«
    »Schon gut.«
    »Wiedersehen«, sagte Judith.
    »Auf Wiedersehen.«
    »Dürfen wir denn wiederkommen?« Die Stimme des Mädchens klang plötzlich zittrig.
    »Ja«, antwortete Chloë laut und vernehmlich, »jederzeit, Tag und Nacht. Wir sind für euch da – nicht wahr, Frieda?«
    »Ja«, bestätigte Frieda ein bisschen müde.
    Sie schleppte sich hinauf ins Bad, wo ihre neue Wanne sie tatsächlich in ihrer ganzen Pracht erwartete. Gespannt drehte sie die Hähne auf. Das Wasser lief. Aber sie fand keinen Stöpsel. Sie suchte überall, unter der Wanne und im Schrank, aber da war keiner. Der Stöpsel des Waschbeckens war zu klein, und das Becken in der Küche hatte keinen Gummistöpsel mit Kette, sondern eines von diesen Metalldingern, die sich nach unten drehten. Wie es aussah, konnte sie doch kein Bad nehmen.
    Als Karlsson und Yvette im Haus der Familie Lennox eintrafen, war Judith gerade gegangen. Das Geschrei war vorbei und an seine Stelle eine angespannte Stille getreten, eine Atmosphäre des Unbehagens. Russell Lennox saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster. Dora hatte zu schluchzen aufgehört, lag aber immer noch zusammengerollt und mit verweintem Gesicht in ihrem Zimmer. Louise Weller war am Putzen und Räumen. Nachdem sie bereits den Küchenboden gewischt und die Treppe gesaugt hatte, war sie im Begriff, sich die Sachen ihrer Schwester vorzunehmen, als es an der Tür klingelte.
    »Wir müssen Misses Lennox’ Dinge noch einmal durchsehen«, erklärte Yvette.
    »Ich habe gerade angefangen, sie auszuräumen.«
    »Vielleicht warten Sie damit lieber noch eine Weile«, sagte Karlsson. »Wir geben Ihnen Bescheid, wenn Sie loslegen können.«
    »Da wäre noch etwas: Die Familie würde gerne wissen, wann endlich die Beerdigung stattfinden kann.«
    »Das dauert nicht mehr lange. Die Leiche dürfte in den nächsten Tagen freigegeben werden.«
    »Es ist nicht richtig, dass sich das so lange hinzieht.«
    Karlsson hätte am liebsten etwas Heftiges erwidert, riss sich aber am Riemen und antwortete nur knapp, es sei für alle schwierig.
    Sie gingen hinauf in das Schlafzimmer, das sich das Ehepaar Lennox über zwanzig Jahre lang geteilt hatte. Wie es aussah, hatte Louise Weller bereits begonnen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen: Mehrere Plastiktüten waren mit Schuhen gefüllt, und von dem bisschen Schminkzeug, das Ruth besessen hatte, war das meiste wohl schon im Mülleimer gelandet.
    »Wonach suchen wir eigentlich?«, fragte Yvette. »Die Kollegen von der Spurensicherung haben doch schon alles durchstöbert.«
    »Ich weiß es ja selber nicht. Vermutlich werden wir nichts finden. Aber es handelt sich hier um eine Familie voller Geheimnisse. Was gibt es noch alles, wovon wir keine Ahnung haben?«
    »Das Problem ist, dass es sich um eine solche Unmenge von Zeug handelt«, gab Yvette zu bedenken. »Die Frau hat alles aufbewahrt. Sollen wir oben auf dem Dachboden sämtliche Schachteln mit den alten Sachen ihrer Kinder durchwühlen, ihre Schulzeugnisse und den ganzen Kram? Und was ist mit den diversen Computern? Die der

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