Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
trug Jeans und einen beigebraunen Pullover, und ihre Augenringe wirkten noch dunkler und auffallender als sonst.
    »Schlecht geschlafen?«, fragte Sasha.
    »Nein.«
    »Ich weiß nicht so recht, ob ich dir das glauben soll.«
    »Möchtest du eine Tasse Kaffee?«
    »Haben wir dafür denn noch Zeit? Meine Parkuhr läuft zwar erst in einer Viertelstunde ab, aber wir müssen um halb zehn im Krankenhaus sein, und es herrscht ein fürchterlicher Verkehr.«
    Sasha hatte darauf bestanden, sich den Tag freizunehmen, um Frieda zu dem Arzt zu chauffieren, bei dem sie ihren Nachsorgetermin hatte, und anschließend zur Physiotherapie.
    »Wir fahren nicht ins Krankenhaus.«
    »Warum nicht? Haben sie den Termin abgesagt?«
    »Nein, ich.«
    »Wieso denn das?«
    »Ich habe etwas anderes zu erledigen.«
    »Du musst zu deinem Arzt, Frieda, und zur Physiotherapie auch. Du warst sehr krank. Du wärst fast gestorben. Da kannst du nicht einfach die ganze Nachsorge sausen lassen.«
    »Ich weiß genau, was der Arzt sagen wird: dass ich gute Fortschritte mache, aber noch nicht wieder ans Arbeiten denken darf, weil meine Arbeit vorerst darin besteht, gesund zu werden. Was wir Ärzte unseren Patienten halt so erzählen.«
    »Das klingt jetzt aber ein bisschen negativ.«
    »Jedenfalls habe ich etwas Wichtigeres zu erledigen.«
    »Was könnte wichtiger sein, als gesund zu werden?«
    »Ich habe mir gedacht, ich zeige es dir lieber, statt es dir des Langen und Breiten zu erklären. Es sei denn, du möchtest doch zur Arbeit gehen.«
    Sasha seufzte.
    »Ich habe mir den Tag freigenommen. Ich würde ihn gern mit
    dir verbringen. Also, lass uns erst mal Kaffee trinken.«
    Die Straße verengte sich zu einer schmalen kleinen Allee, deren Bäume gerade austrieben. Frieda registrierte den Schwarzdorn. Sie starrte ihn wie gebannt an: Manche Dinge veränderten sich, andere blieben gleich, aber man selbst blieb nie gleich – wenn man alles mit anderen Augen sah, bekamen sogar die vertrautesten Anblicke etwas Seltsames, Gespenstisches: das strohgedeckte Häuschen mit dem kleinen, schlammigen Teich voller Enten davor, die plötzlich so weite Sicht auf die Straße, die sich durch ein Flickwerk aus Feldern zog, das Bauernhaus mit seinen Silos und der eingezäunten, schlammigen Kuhweide, ja selbst die Reihe schlanker Pappeln, die sich nun vor ihnen erstreckte. Sogar die Art, wie das Licht auf diese flache Landschaft fiel, und der schwache Salzgeruch des Meeres hatten etwas Fremdes.
    Der Friedhof wirkte vollgepfercht. Die meisten der Grabsteine waren alt und mit einer grünen Schicht aus Moos überzogen, so dass es nicht mehr möglich war, die eingemeißelten Inschriften zu entziffern. Es gab aber auch einige neuere, blumengeschmückte Gräber, auf deren glänzenden Steinen gut lesbar die Namen der innig geliebten und schmerzhaft vermissten Menschen prangten.
    »Scharen von Toten«, sagte Frieda mehr zu sich selbst als zu Sasha.
    »Warum sind wir hier?«
    »Ich zeige es dir gleich.«
    Vor einem der Grabsteine blieb sie stehen und deutete darauf. Sasha beugte sich vor, um die Inschrift besser lesen zu können: Jacob Klein, 1943–1988, innig geliebter Ehemann und Vater.
    »Ist das dein Vater?« Sasha wusste, dass Frieda ihn als Teenager tot aufgefunden hatte, und versuchte sich nun die schmerzvolle Geschichte vorzustellen, die sich hinter diesem schlichten Stein verbarg.
    Frieda nickte, ohne den Blick vom Grab abzuwenden.
    »Ja, das ist mein Vater.« Sie trat einen kleinen Schritt zurück und fügte hinzu: »Sieh dir die Gravierung an, oberhalb des Namens.«
    »Sehr schön«, antwortete Sasha lahm, nachdem sie das symmetrische Muster in Augenschein genommen hatte. »Hast du das ausgesucht?«
    »Nein.«
    Frieda griff in ihre Tasche, zog ein Stück dickes Papier heraus, betrachtete für einen Moment die Zeichnung darauf und ließ dann den Blick zwischen Zeichnung und Gravierung hin- und herwandern.
    »Fällt dir etwas auf?«, wandte sie sich dann an Sasha.
    »Das gleiche Muster.«
    »Ja, nicht wahr? Genau das gleiche.«
    »Hast du es gezeichnet?«
    »Nein.«
    »Dann …?«
    »Jemand hat es mir zukommen lassen. Gestern Morgen.«
    »Das verstehe ich jetzt nicht.«
    »Die betreffende Person hat es mir in den frühen Morgenstunden unter der Tür durchgeschoben.«
    »Warum?«
    »Das ist die Frage.« Frieda sprach inzwischen wieder mehr mit sich selbst als mit Sasha.
    »Hast du vor, mir zu verraten, worum es hier eigentlich geht?«
    »Es war Dean.«
    »Dean? Dean

Weitere Kostenlose Bücher