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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wie früher.«
    Frieda schwieg einen Moment. Sie dachte über seine Worte nach.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Dawes.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Vielleicht muss man selbst angeschlagen sein, damit es einem bei anderen auffällt, aber ich finde, Sie sehen müde und blass aus.«
    »Sie wissen doch gar nicht, wie ich normalerweise aussehe.«
    »Sie haben gesagt, heute ist Ihr freier Tag.«
    »Ja, mehr oder weniger.«
    »Sie sind Psychoanalytikerin. Sie sprechen mit Leuten, denen es nicht gut geht.«
    »Stimmt«, antwortete sie, während sie aufstand. Für sie wurde es Zeit, wieder aufzubrechen.
    Dawes erhob sich ebenfalls.
    »Ich hätte für Lila jemanden wie Sie suchen sollen«, erklärte er, »obwohl das eigentlich nicht so mein Ding ist. Aufs Reden verstehe ich mich nicht so besonders. Ich lege lieber selbst Hand an und repariere etwas. Aber mit Ihnen kann man gut reden.« Er blickte sich verlegen um. »Werden Sie weiter nach Lila suchen?«
    »Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen sollte.«
    »Falls Sie etwas von ihr hören, lassen Sie es mich dann wissen?«
    Auf dem Weg zur Haustür griff Dawes nach einem Stück Papier, schrieb seine Telefonnummer auf und reichte den Zettel Frieda. Während sie ihn entgegennahm, fiel ihr etwas ein.
    »Hat sie Ihnen je die Haare geschnitten?«
    Er fasste sich an den kahlen Kopf.
    »Da gab es nie viel zu schneiden.«
    »Oder Sie ihr?«
    »Nein. Lila hatte schönes Haar. Sie war darauf sehr stolz.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Sie hätte mich niemals auch nur in die Nähe gelassen. Warum fragen Sie danach?«
    »Ach, Agnes hat da so was erwähnt.«
    Als Frieda wieder auf der Straße stand, warf sie erst einmal einen Blick auf ihre Karte und machte sich dann auf den Weg – nicht zurück zu dem Bahnhof, von dem sie gekommen war, sondern zur nächsten Station in Richtung Innenstadt. Allem Anschein nach waren es bis dorthin mehrere Kilometer zu gehen. Das kam ihr gerade recht, sie brauchte den Fußmarsch. Ihr war, als würden ihre Lebensgeister langsam zurückkehren, und sie fühlte sich jetzt auch offener für diesen Teil der Stadt, in dem sie noch nie gewesen war. Ihr Weg führte sie zunächst eine zweispurige Straße entlang. Lastwagen donnerten vorbei. Beide Straßenseiten säumten Wohnsiedlungen mit den typischen Nachkriegsbauten, die damals schnell hochgezogen worden waren und inzwischen bröckelten. Einige der Wohnungen waren mit Brettern vernagelt, bei anderen hing Wäsche auf den kleinen Terrassen. Frieda hatte nicht das Gefühl, dass es eine gute Gegend zum Spazierengehen war, doch nach einer Weile bog sie in eine kleinere Wohnstraße mit lauter viktorianischen Reihenhäusern ein, fühlte sich aber immer noch unbehaglich – so viele Kilometer von zu Hause entfernt. Als sie sich schließlich dem Bahnhof näherte, kam sie an einer Telefonzelle vorbei und blieb stehen. Das Telefon war gar nicht mehr vorhanden, sondern längst herausgerissen worden. Trotzdem nahm Frieda die Zelle näher in Augenschein, denn an den Glaswänden waren Dutzende kleiner Aufkleber angebracht: junges Model, Sprachlehrerin, sehr strenge Lehrerin, Begleitung de luxe .
    Frieda zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb sich die Telefonnummern auf. Sie brauchte dazu mehrere Minuten. Ein paar Jungs im Teenageralter, die gerade vorbeikamen, kicherten und riefen ihr etwas zu, doch Frieda stellte sich taub.
    Wieder zu Hause, führte sie als Erstes ein Telefongespräch.
    »Agnes?«
    »Ja?«
    »Frieda Klein.«
    »Oh … waren Sie erfolgreich?«
    »Lila habe ich nicht gefunden, falls Sie das meinen. Sie scheint verschwunden zu sein. Ihr Vater weiß auch nicht, wo sie ist. Das sind zwar keine guten Neuigkeiten, aber ich dachte mir, Sie möchten es vielleicht trotzdem wissen.«
    »Ja. Ja, natürlich, danke.« Sie schwieg einen Moment, ehe sie hinzufügte: »Ich werde zur Polizei gehen und eine Vermisstenanzeige aufgeben. Das hätte ich schon vor Monaten tun sollen.«
    »Wahrscheinlich wird es nichts bringen«, gab Frieda in sanftem Ton zu bedenken. »Sie ist erwachsen.«
    »Irgendetwas muss ich tun. Ich kann nicht länger die Hände in den Schoß legen.«
    »Das verstehe ich.«
    »Am besten, ich tue es sofort – obwohl eine Stunde vermutlich keinen Unterschied mehr macht, nachdem ich mir so viele Jahre damit Zeit gelassen habe.«
    Jim Fearby war mit seiner Liste etwa zu zwei Dritteln durch. Die dreiundzwanzig Namen, die darauf standen, hatte er aus Lokalblättern und Vermissten-Websites. Drei

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