Schwarzer Mittwoch
recht zu haben, dass Sie es sich leisten konnten, die klassischen Symptome eines Psychopathen zu ignorieren?«
»Ihre Minute ist um«, verkündete Frieda und legte auf. Sie ging zu Reuben in die Küche.
»Was willst du hier?«, fragte sie.
»Ich habe Josef wegfahren sehen.«
»Er renoviert mein Bad.«
»Dann weiß ich jetzt wenigstens, warum ich ihn nie erreichen kann.« Seine Miene wurde hart. »Das war sie, stimmt’s? Diese Journalistin, wie hieß sie noch mal?«
»Die Frau, mit der ich gerade gesprochen habe, hieß Jilly Freeman«, sagte Frieda
»Genau, das ist sie.«
»Woher willst du das wissen?«
Reuben leerte seine Dose.
»Weil mir das Gleiche passiert ist«, antwortete er. »Sie haben mich genauso reingelegt wie dich. Diese Jilly hat mich angerufen und mir die Neuigkeit eröffnet, und im Verlauf unseres Gesprächs hat sie auch deinen Namen erwähnt. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du bist nie rangegangen.«
»Ich war außer Haus.«
»Deswegen dachte ich mir, ich komme besser gleich selbst vorbei. Lieber Himmel, jetzt brauche ich dringend eine Zigarette. Können wir rausgehen?«
Er nahm eine weitere Bierdose aus dem Kühlschrank und verließ die Küche. Frieda folgte ihm hinaus auf die Straße, wo er ihr das Bier reichte und sich anschließend seine Zigarette anzündete. Gierig nahm er ein paar tiefe Züge. »Dieser junge Mann«, begann er dann, »hat behauptet, er wolle unbedingt zu mir. Er habe so viel Gutes über mich gehört. Er mache sich wegen seines Zustands Sorgen. Als Kind habe er gern Tiere gequält, und nun habe er Gewaltfantasien in Bezug auf Frauen. Bla, bla, bla, den Rest kennst du ja.«
»Was hast du ihm geantwortet?«
»Ich habe ihm angeboten, ihn eine Weile zu betreuen. Dann hat mich diese Miss Jilly angerufen und mir eröffnet, ich käme auf die Titelseite, weil ich einen Psychopathen wieder auf die Menschheit losgelassen hätte.«
»Wie hast du reagiert?«
Er zog ein weiteres Mal gierig an seiner Zigarette.
»Ich hätte sagen sollen, was du gesagt hast. Das klang gut. Aber ich habe die Beherrschung verloren. Ich habe sie bloß angeschrien und wütend aufgelegt.« Er deutete mit dem Finger auf Frieda.
»Wir werden diese Leute verklagen. Diesen gottverdammten Hal Bradshaw genauso wie diese verfluchte Journalistin und ihr Revolverblatt. Dafür bringen wir sie hinter Gitter.«
»Was willst du Ihnen denn vorwerfen?«, fragte Frieda.
Reuben schlug mit der Faust gegen die Wand.
»Betrug«, antwortete er, »und Verletzung der Privatsphäre. Und Verleumdung.«
»Wir werden sie nicht verklagen«, entgegnete Frieda.
»Fast hätte ich jetzt gesagt, du hast leicht reden«, erklärte Reuben. »Dabei geht es dir im Moment so schlecht. Du hast dich gerade mal ansatzweise von einer schweren Verletzung erholt. Diese Leute dürfen das nicht mit uns machen.«
Frieda legte Reuben eine Hand auf die Schulter.
»Wir sollten es einfach dabei belassen«, sagte sie.
Als Reuben ihr daraufhin das Gesicht zuwandte, erschrak sie über seinen wilden und zugleich resignierten Ausdruck.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte er, »ich sollte das Ganze einfach ignorieren. Vor zehn Jahren hätte ich darüber gelacht, es vielleicht sogar genossen, aber inzwischen habe ich die Schnauze voll. Dieser Journalistin werde ich schon zeigen, wie sich Gewaltfantasien in Bezug auf Frauen äußern können.«
Schon um die Mittagszeit hatte sich eine Menschenmenge versammelt, doch es kam zu kleineren Verzögerungen, den letzten Zuckungen eines festgefahrenen bürokratischen Systems, das George Conley noch monatelang im Gefängnis festgehalten hatte, obwohl schon längst klar war, dass er am Ende freikommen würde. Es wurde fast drei Uhr nachmittags, bis er schließlich mit einer Plastiktüte unter dem Arm aus dem Gefängnisgebäude ins Sonnenlicht trat. Er trug einen Mantel, der ihm viel zu klein war und für einen Frühlingstag viel zu warm. Auf seinem bleichen, fleischigen Gesicht glänzten Schweißperlen.
Bei den Leuten, die auf ihn warteten, handelte es sich größtenteils um Journalisten und Fotografen. Der Abgeordnete aus seinem Stimmkreis war ebenfalls anwesend, auch wenn Fearby wusste, wie wenig der Mann für Conley getan hatte. Er war erst für ihn eingetreten, als sich abzeichnete, dass die Kampagne Erfolg haben würde. Eine kleine Gruppe einer revolutionären Organisation war mit Transparenten erschienen, auf denen die Engstirnigkeit der Polizei im Allgemeinen angeprangert wurde. Verwandte aber
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