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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sie auch bei ihm auftauchen und ihm ein schlechtes Gewissen machen können?«
    »Habe ich Ihnen wirklich ein schlechtes Gewissen gemacht?«
    »Also, wenn Sie es genau wissen wollen: Ich war richtig nervös, als ich als angeblicher Patient zu Ihnen kam. Mir war fast ein bisschen schlecht. Es fiel mir nicht leicht.« Er bedachte Frieda mit einem finsteren Blick. »Sein Name ist Duncan Bailey.«
    »Wo wohnt er?«
    »Sie wollen auch noch seine Adresse?«
    »Wenn Sie sie haben.«
    Seamus Dunne murmelte etwas, riss dann aber den Deckel einer leeren Müslischachtel ab, die auf dem Boden lag, und kritzelte etwas auf das Stück Pappe, ehe er es Frieda gab.
    »Danke«, sagte sie. »Und denken Sie daran, was ich Ihnen geraten habe. Sprechen Sie mit jemandem.«
    »Gehen Sie jetzt?« Seamus Dunne wirkte verblüfft.
    »Ja.«
    »Sie meinen, das war’s?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es das wirklich schon war, Seamus.«
    Jim Fearby hatte noch seine Akten durchgesehen, um sich zu vergewissern, dass er alle Fakten abrufen konnte. Am Anfang machte er sich immer Notizen in der Kurzschrift, die er gelernt hatte, als er damals vor über vierzig Jahren als junger Reporter beim Lokalblatt in Coventry angefangen hatte. Heutzutage lernte kein Mensch mehr Kurzschrift, aber er mochte die hieroglyphenartigen Zeichen, die aussahen wie ein Geheimcode. Er übertrug sie möglichst noch am selben Tag in sein leinengebundenes Notizbuch. In den Computer tippte er das Ganze erst später ein.
    Hazel Barton war im Juli 2004 erdrosselt worden. Ihre Leiche wurde neben der Straße gefunden, nicht weit von ihrem Wohnort entfernt. Allem Anschein nach war sie von der Bushaltestelle aus nach Hause gegangen, weil der Bus nicht kam. Sie war zu dem Zeitpunkt achtzehn Jahre alt, eine hübsche junge Frau mit einem frischen Gesicht, deren drei ältere Brüder sie genau wie die Eltern vergötterten. Sie hatte vorgehabt, Physiotherapeutin zu werden. Nach ihrem Tod war ihr Gesicht wochenlang in den Zeitungen und TV-Nachrichten zu sehen. George Conley hatte man über ihre Leiche gebeugt angetroffen. Er wurde sofort verhaftet und kurz darauf angeklagt. Conley war der schräge Vogel des Ortes, der arbeitslose, fettleibige, geistig etwas minderbemittelte Außenseiter, der in Parks und am Rande von Spielplätzen herumlungerte: Natürlich war er es gewesen. Als er dann auch noch ein Geständnis ablegte, waren alle zufrieden – alle außer Jim Fearby, der es ganz genau nahm und sich auf die Worte anderer nie verließ, sondern den Dingen immer selbst auf den Grund gehen musste. Er betrachtete es als seine Pflicht, die Polizeiberichte zu lesen, sämtliche Akten durchzuackern und in Gesetzestexten zu blättern.
    Er saß gerade vor dem Fernseher, ohne wirklich hinzusehen, als das Telefon klingelte.
    »Haben Sie was zum Schreiben da?«
    »Mit wem spreche ich?«
    »Philip Sidney.«
    Fearby kramte nach einem Stift.
    »Ja?«
    »Vanessa Dale«, sagte die Stimme, nannte anschließend eine Telefonnummer und forderte Fearby auf, sie zu wiederholen. Als Fearby danach noch etwas sagen wollte, war die Leitung bereits tot.
    Frieda schenkte zwei Whiskys ein und reichte einen davon Josef.
    »Wie geht es?«, fragte sie.
    »Der Stahlträger ist gut. Er hält viel aus. Aber nachdem ich den Boden herausgerissen hatte, fand ich es besser, Fliesen zu legen. Jetzt hast du einen Fliesenboden, aber damit sieht die Wand alt aus. Deswegen sollten da vielleicht auch Fliesen hin. Das musst du entscheiden.«
    Da Josef offenbar vergessen hatte, dass er ein Glas in der Hand hielt, stieß Frieda mit ihm an, um ihn daran zu erinnern. Sie tranken beide einen Schluck.
    »Als ich dich gefragt habe, wie es geht, meinte ich auch deinen eigenen Zustand, nicht nur den des Badezimmers. Außerdem wollte ich dir sagen, dass ich für die Kosten aufkommen werde. Du kannst dir das alles doch gar nicht leisten.«
    »Das passt schon.«
    »Das passt ganz und gar nicht. In letzter Zeit habe ich zu viel an mich selbst gedacht. Ich weiß, dass du dich mit Mary Orton gut verstanden hast. Was passiert ist, war für dich bestimmt sehr traurig.«
    »Ich habe von ihr geträumt«, erklärte Josef, »schon zwei-, dreimal, vielleicht auch viermal. Das ist seltsam.«
    »Was träumst du?«
    Josef lächelte.
    »Sie hat in der Ukraine gelebt, in meiner alten Heimat. Ich sage zu ihr, dass es mich überrascht, sie lebend zu sehen, und sie antwortet mir in meiner eigenen Sprache. Blöd, oder?«
    »Ja, sehr blöd. Andererseits aber gar nicht

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