Schwarzer Mittwoch
bemerkte ihren Gesichtsausdruck.
»Sie wirken geschockt«, stellte er fest. »Hätte ich gewusst, dass Sie kommen, hätte ich aufgeräumt.«
»Nein«, widersprach sie, »es erinnert mich an meine Studentenzeit.«
»Tja, ich bin noch Student«, erklärte er. »Diese Bude mag nicht viel hermachen, ist aber immer noch besser als alle Alternativen. Also, ich schätze, Sie sind gekommen, um mich anzubrüllen.«
»Haben Sie es denn Ihrer Meinung nach verdient, angeschrien zu werden?«
Dunne lehnte sich mit dem Rücken an die Küchentheke, wobei er fast einen Stapel Teller umgestoßen hätte, gekrönt von einer Bratpfanne, in der zwei Tassen standen.
»Professor Bradshaw hat uns von einem Experiment erzählt, bei dem ein Forscher ein paar Studenten zu verschiedenen Psychiatern schickte. Sie sollten lediglich behaupten, sie hätten im Kopf ein Knallen gehört. Woraufhin sie alle mit der Diagnose Schizophrenie in einer psychiatrischen Anstalt landeten.«
»Ja, ich kenne das Experiment«, antwortete Frieda. »Heutzutage wäre es nicht mehr erlaubt.«
»Was vielleicht schade ist«, konterte Dunne, »denn es war ziemlich aufschlussreich, stimmt’s? Aber das wollen Sie wahrscheinlich nicht hören.«
»So wie ich das sehe«, entgegnete Frieda, »wurden in unserem Fall ein paar Leute, die keine echten Psychopathen waren, zu vier Therapeuten geschickt, und nur einer der vier beging den Fehler, das Ganze ernst zu nehmen.«
»Sie hatten vorhin von zwei Punkten gesprochen, die Sie loswerden wollten.«
»Ich fand interessant, was Sie in dem Artikel gesagt haben.«
»Das dachte ich mir.«
»Nein, ich meine das nicht so, wie Sie denken. Sie haben in der Zeitung geäußert, ich hätte Sie nach unwichtigen Sachen wie Ihrer Ernährung und Ihren Schlafgewohnheiten gefragt. Apropos, wie schlafen Sie denn zurzeit?«
»Gut.«
»Nein, im Ernst. Schlafen Sie durch, oder wachen Sie immer noch so oft auf?«
»Hin und wieder wache ich auf, genau wie die meisten anderen Leute.«
»Und was geht Ihnen dann durch den Kopf?«
»Ach, alles Mögliche.«
»Und wie steht es mit Ihrem Appetit?«
Er zuckte mit den Achseln. Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Warum sehen Sie mich so an?«
»Wissen Sie, was ich glaube?«
»Sie werden es mir vermutlich gleich sagen.«
»Als Sie zu mir kamen und so taten, als bräuchten Sie Hilfe, benutzten Sie das meiner Meinung nach unbewusst als Vorwand, um tatsächlich um Hilfe zu bitten.«
»Das ist doch Freud’scher Schwachsinn. Sie versuchen nur, mich irgendwie reinzulegen.«
»Sie schlafen nicht gut, Sie essen nicht anständig. Dazu noch dieses Chaos hier.« Sie machte eine ausladende Handbewegung.
»Es ist nur eine Studentenküche.«
»Ich habe schon andere Studentenküchen gesehen«, entgegnete Frieda, »und selbst mal in einer Studentenbude gehaust. Das hier ist etwas anderes. Außerdem, wie alt sind Sie eigentlich? Fünfundzwanzig? Sechsundzwanzig? Ich glaube, Sie leiden unter leichten Depressionen, haben aber ein Problem damit, das anderen gegenüber zuzugeben, geschweige denn, sich selbst gegenüber.«
Dunne lief knallrot an.
»Wenn das bei mir unbewusst abläuft und Sie der Meinung sind, dass ich es nicht mal mir selbst eingestehen will, wie soll ich Sie dann vom Gegenteil überzeugen?«
»Denken Sie einfach mal darüber nach«, antwortete Frieda. »Vielleicht wollen Sie ja sogar mit jemandem darüber sprechen. Wenn auch nicht mit mir.«
Erneutes Schweigen. Dunne griff nach einem benutzten Löffel und klopfte damit gegen eine fleckige Tasse.
»Was war der zweite Punkt?«, fragte er schließlich.
»Die Geschichte, die Sie mir erzählt haben.«
»Welche? Das Ganze war eine einzige Geschichte.«
»Nein, ich meine das mit Ihrem Vater. Dass Sie ihm die Haare geschnitten haben und dabei eine Mischung aus Zärtlichkeit und Macht empfanden.«
»Ach, das.«
»Das klang für mich anders als der ganze Rest – als handelte es sich dabei um eine echte Erinnerung.«
»Tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss. Das war bloß runtergeleiert.«
»Es war keine persönliche Erinnerung?«
»Nein. Ich habe es auswendig gelernt.«
»Wer hat Sie angewiesen, das zu sagen?«
»Es stand in meinem Text – keine Ahnung. Vielleicht Doktor Bradshaw oder wer auch immer sich unsere falschen Persönlichkeiten ausgedacht hat.«
»Wer hat Ihnen denn die Unterlagen mit den Anweisungen ausgehändigt?«
»Einer von den anderen Forschern. Ach so … Sie wollen seinen Namen?«
»Ja.«
»Warum? Damit
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