Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
erklären?«
    »Nein, kann ich nicht.«
    »Worum ging es bei der Geschichte?«
    »Um eine Person, die einer anderen die Haare schnitt und dabei ein Gefühl von Macht und zugleich Zärtlichkeit empfand. Dabei schwang etwas Düsteres, Sexuelles mit. Alles andere klang fingiert und unecht, aber das erschien mir authentisch.«
    »Und es hat dich aufgerufen?« Sandy musterte sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck, der Frieda wütend machte. Sie wandte den Blick ab.
    »Genau.«
    »Aber wozu ?«
    »Das würdest du nicht verstehen.«
    »Lass es mich zumindest versuchen.«
    »Nicht jetzt, Sandy.«
    Sie aßen in einem kleinen Fischrestaurant, das nur einen kurzen Fußmarsch von der Wohnung entfernt lag. Es regnete nicht mehr, und der Wind hatte sich auch gelegt. Die Luft roch frischer. Frieda trug über ihrer Leinenhose ein Hemd von Sandy. Zwischen ihnen stand eine Kerze, außerdem eine Flasche Weißwein, Olivenöl und ein Körbchen mit dicken Weißbrotscheiben. Sandy erzählte Frieda von seiner ersten Ehe – wie sie sich am Ende in bitterem Einvernehmen getrennt hatten, weil sich ihre Wünsche nicht in Einklang bringen ließen.
    »Was waren das für Wünsche?«
    »Wir hatten einfach unterschiedliche Vorstellungen von unserer Zukunft«, erklärte Sandy. Er blickte verlegen zur Seite.
    Frieda musterte ihn eindringlich.
    »Du wolltest Kinder?«
    »Ja.«
    Ein kurzes, aber schweres Schweigen senkte sich zwischen sie.
    »Und jetzt?«, fragte Frieda schließlich.
    »Jetzt will ich dich. Ich wünsche mir eine Zukunft mit dir.«
    Um drei Uhr morgens, als es draußen noch so dunkel und ruhig war, wie es in einer Großstadt nur werden kann, legte Frieda Sandy eine Hand auf die Schulter.
    »Was ist?«, murmelte er, während er sich zu ihr umdrehte.
    »Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.«
    »Soll ich das Licht einschalten?«
    »Nein. Im Dunkeln geht es besser. Ich habe mich gefragt, ob wir das nicht beenden sollten.«
    Einen Moment lang war es im Raum ganz still. Dann erwiderte Sandy in fast wütendem Ton: »Ausgerechnet im Augenblick der größten Liebe, des größten Vertrauens zwischen uns denkst du ans Gehen?«
    Sie gab ihm keine Antwort.
    »Ich hätte dich nie für so feige gehalten«, fügte er hinzu.
    Noch immer lag Frieda schweigend an ihn geschmiegt. In dieser Situation erschien ihr jedes Wort sinnlos.
    »Und nachdem du dich das gefragt hast, welche Antwort hast du dir gegeben?«
    »Noch gar keine.«
    »Was ist der Grund, Frieda?«
    »Der Grund ist, dass ich niemandem guttue.«
    »Lass mich das selbst entscheiden.«
    »Ich platze bald vor Unbehagen und Unruhe.«
    »Ja, das Gefühl habe ich auch.« Seine Stimme klang jetzt wieder sanft. Frieda spürte seine warme Hand an ihrer Hüfte und seinen Atem in ihrem Haar.
    »Dean ist immer noch da draußen. Er war am Grab meines Vaters …«
    »Was? Woher weißt du das?«
    »Das ist doch jetzt egal. Ich weiß es einfach. Er will, dass ich es weiß.«
    »Du bist dir sicher, dass …« Mit einer ungeduldigen Handbewegung schnitt sie ihm das Wort ab.
    »Ja, ich bin mir sicher.«
    »Das ist schrecklich und äußerst beunruhigend. Trotzdem darf Dean es nicht schaffen, uns zu trennen. Wieso willst du das mit uns wegen eines Psychopathen beenden?«
    »Als ich vorhin gesagt habe, dass ich mich aufgerufen fühlte …«
    »Ja?«
    »Es fühlt sich ein bisschen so an, als müsste ich in die Unterwelt hinabsteigen.«
    »Wessen Unterwelt? Deine eigene?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann geh nicht hin, Frieda. Es war doch nur eine dumme Geschichte. Aus dir spricht deine momentane Stimmung, das Trauma, das du durchgemacht hast. Das ist nichts Rationales. Du verwechselst deine Depression mit der Realität.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Darf ich dich etwas fragen, ohne dass du gleich wieder dichtmachst?«
    »Nur zu.«
    »Als du nach dem Selbstmord deines Vaters seine Leiche gefunden hast …« Er spürte, wie sich ihr Körper versteifte. »Da warst du fünfzehn. Hast du damals mit jemandem darüber gesprochen?«
    »Nein.«
    »Und seitdem?«
    »Nicht richtig.«
    »Nicht richtig«, wiederholte er. »Glaubst du nicht, dass all das …« Obwohl es dunkel war, konnte sie seine ausladende Handbewegung erahnen. »Die ganze Geschichte mit Dean und deiner Arbeit für die Polizei, und nun diese neue Idee von dir, dass du dich durch irgendeine Geschichte aufgerufen fühlst … das hat doch alles nur damit zu tun, dass du als junges Mädchen deinen Vater an einem Balken hängen gesehen hast – ihn

Weitere Kostenlose Bücher