Schwarzer Mond: Roman
von Form, Linien und Farbtönen -etwas besonderes Harmonisches an sich, aber dieses Phänomen logisch begründen zu wollen, wäre genauso töricht wie jeder Versuch, die Schönheit eines Sonnenuntergangs oder einer Blume zu zerpflücken.
An diesem Weihnachtsmorgen wusste Sandy noch nicht, dass Ernie Block am 10. Dezember auf dem Rückweg von Elko von demselben Stück Land magisch angezogen worden war. Sie wusste nicht, dass es in Ernie das Gefühl einer dicht bevorstehenden Epiphanie, vermischt mit Angst, hervorgerufen hatte -Emotionen, die sich von ihren eigenen grundlegend unterschieden. Es sollten noch Wochen vergehen, bevor sie erfuhr, dass ihr Lieblingsort auch auf andere Menschen eine starke Anziehungskraft ausübte -sowohl auf Freunde als auch auf Fremde.
8. Chicago, Illinois
Für Vater Stefan Wycazik - den dynamischen Hauptgeistlichen von St. Bernadette, den Helfer für Priester in Nöten aller Art war dies der ereignisreichste Weihnachtsmorgen seines Lebens.
Und im weiteren Verlauf dieses Tages zeigte sich, dass es auch das bedeutsamste Weihnachtsfest seines Lebens sein sollte.
Er zelebrierte die zweite Messe in St. Bernadette und brachte eine Stunde damit zu, Gemeindemitgliedern, die mit Körben voll Obst, mit hausgemachten Plätzchen und anderen Geschenken ins Pfarrhaus kamen, ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. Sodann fuhr er in die Universitätsklinik, um Winton Tolk zu besuchen, den Polizisten, der am Vortag in einer Imbissstube angeschossen worden war. Nach einer Notoperation hatte Tolk den Abend und die Nacht auf der Intensivstation verbracht. Am Weihnachtsmorgen war er in ein Einzelzimmer gleich neben der Intensivstation verlegt worden, denn obwohl sein Zustand nicht mehr kritisch war, musste er doch noch unter ständiger ärztlicher Kontrolle bleiben.
Als Vater Wycazik in der Klinik eintraf, war Raynella Tolk bei ihrem Mann. Sie war eine attraktive Frau mit schokoladenbrauner Haut und hübscher Kurzhaarfrisur.
»Mrs. Tolk? Ich bin Stefan Wycazik.«
»Aber ...«
Er lächelte. »Beruhigen Sie sich, ich bin nicht gekommen, um Ihren Mann mit den heiligen Sterbesakramenten zu versehen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Winton, »ich habe nämlich auch nicht die Absicht zu sterben.«
Der verletzte Polizist war nicht nur bei vollem Bewusstsein, sondern schien auch keine Schmerzen zu haben und ganz munter zu sein. Trotz des dicken Verbandes um seinen breiten Brustkorb, trotz des telemetrischen Gerätes um seinen Hals und trotz des Schlauches in der Vene seines linken Armes, durch den ihm Glukose und Antibiotika zugeführt wurden, sah er in Anbetracht der Umstände bemerkenswert gut aus.
Vater Wycazik stand am Fußende des Bettes, und seine Nervosität war nur daran ersichtlich, dass er seinen schwarzen Filzhut unaufhörlich mit den kräftigen Händen drehte. Als ihm das auffiel, legte er den Hut rasch auf einen Stuhl.
»Mr. Tolk, wenn Sie sich kräftig genug fühlen, würde ich Ihnen gern einige Fragen zu dem gestrigen Vorfall stellen.«
Tolk und seine Frau waren sichtlich erstaunt über Stefans Neugier.
Der Priester erklärte ihnen die Gründe für sein Interesse - wenn auch nicht gerade wahrheitsgetreu.
»Der Mann, der in der letzten Woche mit Ihnen im Streifenwagen herumfuhr, Brendan Cronin, sollte in meinem Auftrag Beobachtungen anstellen«, behielt er die Geschichte vom Laienmitarbeiter Brendan bei.
»Oh, den würde ich gern kennenlernen«, rief Raynella, und ihr Gesicht hellte sich auf.
»Er hat mir das Leben gerettet«, sagte Tolk. »Er hat etwas Tollkühnes gemacht, was er niemals hätte tun dürfen, aber ich bin heilfroh, dass er es getan hat.«
»Mr. Cronin ist in die Imbissstube reingegangen«, erklärte Raynella, »ohne zu wissen, ob sich dort noch weitere bewaffnete Ganoven versteckt hielten, mit dem Risiko, erschossen zu werden.«
»Es ist absolut gegen die Polizeivorschriften, so etwas zu tun«, fuhr Winton fort. »Ich selbst hätte mich genau an den Buchstaben des Gesetzes gehalten, wenn ich da draußen gewesen wäre. Ich darf eigentlich nicht gutheißen, was Brendan getan hat, Vater, aber ich verdanke ihm mein Leben.«
»Erstaunlich«, sagte Vater Wycazik, so als hätte er soeben zum erstenmal von Brendans Mut gehört. In Wirklichkeit hatte er am Vorabend ausführlich mit Tolks Vorgesetztem gesprochen, der ein alter Freund von ihm war. Der Polizeichef hatte Brendans Mut gerühmt und gleichzeitig seine törichte Tollkühnheit getadelt.
»Ich wusste schon immer, dass
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