Schwarzer Mond: Roman
Dom zu berichten, ob interessante Post für ihn gekommen war. Es war zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass ihre eigenen Telefone abgehört wurden, aber sie waren beide der Meinung gewesen, dass man in diesem Fall nicht entscheiden konnte, wo die Grenze zwischen klugen Vorsichtsmaßnahmen und Verfolgungswahn war.
»Rechnungen«, sagte Parker. »Reklamen. Keine weiteren seltsamen Botschaften oder Polaroid-Fotos. Und wie steht's bei dir?«
»Bisher nichts Besonderes«, erwiderte Dom, der müde an der Plexiglasscheibe der Telefonzelle lehnte. »Letzte Nacht habe ich nicht gut geschlafen.«
»Aber du bist nicht im Schlaf umhergewandert?«
»Nein. Ich habe keinen einzigen Knoten geöffnet. Aber ich hatte einen Alptraum. Wieder der Mond. Ist dir jemand zur Telefonzelle gefolgt?«
»Niemand, es sei denn, er hat eine Tarnkappe«, sagte Parker. »Du kannst mich also morgen abend wieder hier anrufen, ohne befürchten zu müssen, dass die Leitung inzwischen angezapft ist.«
»Wir hören uns an wie zwei Verrückte«, meinte Dom.
»Mir macht die Sache direkt Spaß«, bekannte Parker. »Räuber und Gendarm, Verstecken, Auskundschaften - solche Spiele habe ich als Kind sehr geliebt. Und du, halt die Ohren steif, alter Freund! Und falls du Hilfe brauchen solltest, werde ich sofort kommen.«
»Ich weiß«, sagte Dom.
Ein kalter Wind wehte, als er zum Motel zurückging. Wie in Portland, so wachte er auch in dieser Nacht dreimal auf, jedesmal von einem Alptraum, an den er sich nicht erinnern konnte, jedesmal mit dem Schrei: »Der Mond!«
Am Dienstag, dem 7. Januar, stand Dom früh auf und fuhr nach Sacramento und von dort auf der Interstate 80 in östlicher Richtung nach Reno. Es regnete fast während des ganzen Tages, und als er die Vorberge der Sierras erreichte, schneite es. Er kaufte in einer Tankstelle Schneeketten und befestigte sie an den Reifen, bevor er ins Gebirge hinauffuhr.
Im vorletzten Sommer hatte er für die Strecke von Grants Pass nach Reno mehr als zehn Stunden gebraucht, und diesmal brauchte er sogar noch länger. Als er sich schließlich -wie damals - in Harrah's Hotel eintrug, Parker Faine aus einer Telefonzelle anrief und im Coffee Shop eine Kleinigkeit aß, war er schon so müde, dass er mit der Lokalzeitung von Reno sofort auf sein Zimmer ging. Und dort las er, in Unterwäsche auf seinem Bett sitzend, um halb neun abends den Artikel über Zebediah Lomack.
MONDMANN HINTERLÄSST HALBE MILLION VERMÖGEN Reno. Zebediah Harold Lomack, 50, dessen Selbstmord am Weihnachtstag zur Entdeckung seiner bizarren Mondbesessenheit führte, hinterlässt ein Vermögen von mehr als 500.000 Dollar, das größtenteils auf verschiedenen Sparkonten, in Anleihen und Schatzbriefen angelegt war, wie aus den beim Nachlassgericht hinterlegten Dokumenten hervorgeht. Testamentsvollstreckerin ist Eleanor Wolsey, die Schwester des Verstorbenen. Lomacks bescheidenes Haus in 1420 Wass Valley Road hat hingegen einen Schätzwert von nur 35.000 Dollar. Lomack, ein professioneller Kartenspieler, soll sein Vermögen hauptsächlich durch Pokern erworben haben. »Er war einer der besten Spieler, die ich je gekannt habe«, sagte Sidney >Sierra Sid< Garfork aus Reno, selbst professioneller Spieler und Gewinner der letztjährigen Poker-Weltmeisterschaft im Binion's Horseshoe Casino in Las Vegas. »Er begeisterte sich schon als Kind für Karten, so wie andere sich für Baseball, Mathematik oder Physik interessieren.« Nach Aussage von Garfork und anderen Freunden wäre das Vermögen des Spielers noch viel größer gewesen, wenn er nicht eine Schwäche für Würfelspiele gehabt hätte. »Mehr als die Hälfte seiner Gewinne beim Pokern verlor er an den Würfeltischen wieder, und das Finanzamt kassierte natürlich auch ganz schön was ab«, sagte Garfork. Wie mehrmals gemeldet, hörte ein Nachbar am Weihnachtsabend einen Schuss in Lomacks Haus. Die Polizei fand Lomacks Leiche in seiner mit Abfällen übersäten Küche. Tausende von Fotos des Mondes schmückten Wände, Decken und Möbelstücke in allen Zimmern.
Der Artikel ging noch weiter.
Offensichtlich war das Ereignis von der Lokalpresse in den letzten zwei Wochen regelrecht ausgeschlachtet worden. Dom las den Bericht mit wachsender Faszination und zunehmendem Unbehagen. Höchstwahrscheinlich hatte Zebediah Lomacks Mondobsession nicht das geringste mit Doms eigenen Problemen zu tun. Reiner Zufall, weiter nichts. Und doch stieg in ihm jene Angst - eine Mischung aus Schrecken, Entsetzen und
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