Schwarzer Mond: Roman
seinen eingesperrten Erinnerungen liegen musste.
Die Leute um ihn herum lachten, plauderten, schimpften über die ungünstigen Karten, brüllten und kreischten, wenn die Würfel rollten, aber Dom blieb kühl und distanziert, hielt wachsam Ausschau nach irgendeinem Anhaltspunkt dafür, dass dies tatsächlich der richtige Ort war.
Er fand keinen.
Jeden Abend rief er Parker Faine in Laguna Beach an, in der Hoffnung, dass der Unbekannte ihm eine weitere Botschaft hatte zukommen lassen.
Es gab keine neuen Briefe.
Jeden Abend vor dem Einschlafen versuchte er, Erklärungen für den physikalisch völlig unmöglichen Tanz der Papiermonde und für jene kurzfristig aufgetauchten kreisförmigen geschwollenen roten Ringe auf seinen Handflächen zu finden. Aber beide Phänomene blieben unerklärlich.
Sein Verlangen nach Valium und Dalmane wurde von Tag zu Tag schwächer, aber seine Alpträume -der Mond -wurden immer schlimmer. Jede Nacht zerrte er mit aller Kraft an der Schnur, die ihn ans Bett fesselte.
Am Samstag vermutete Dom zwar immer noch, dass die Antwort auf seine nächtlichen Ängste und auf seinen Somnambulismus in Reno zu finden sein musste. Aber er beschloss, seinen ursprünglichen Plan beizubehalten und nach Mountainview weiterzufahren. Falls er bis zum Ende dieser Reise kein satori erlebte, konnte er ja jederzeit nach Reno zurückkehren.
Im vorletzten Sommer war er am Freitag, dem 6. Juli, nach einem frühen Mittagessen um halb elf aufgebrochen.
Am Samstag, dem 11. Januar, verließ er Harrah's Hotel um die gleiche Zeit, erreichte zehn Minuten später die Interstate 80 und fuhr in nordöstlicher Richtung durch die Wüste von Nevada auf das ferne Winnemucca zu, wo einst vor langer Zeit Butch Cassidy und Sundance Kid einen Bankraub verübt hatten.
Die riesigen unbesiedelten Landflächen sahen fast so aus wie vor tausend Jahren. Die Autobahn und die Stromleitungen - die einzigen Zeichen der Zivilisation -folgten der alten Route, die zur Zeit der Planwagenkolonnen >Humboldt Trail< geheißen hatte. Dom fuhr durch eine wenig einladende, aber hinreißend schöne Urlandschaft aus kahlen Steppen, Sand, Beifuss, ausgetrockneten Seen, verfestigten Lavaströmen und fernen Bergen.
Steil emporragende Felsen und geäderte Monolithe wiesen Spuren von Borax, Schwefel, Alaun und Salz auf. Vereinzelte steinige Hügel leuchteten in herrlichen Farben: Ocker, Bernstein, Dunkelbraun und Grau. Nördlich des Salzsees Humboldt Sink, wo der Humboldt River einfach in der durstigen Erde versickerte, gab es außer dem Humboldt noch andere Flüsse, und hier gab es deshalb auch einige fruchtbare Täler mit üppigem Gras und Bäumen -Pappeln und Weiden, allerdings nicht im Überfluss. Aber sogar in diesen freundlichen Tälern, wo das Wasservorkommen eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglichte, war die Besiedlung sehr dünn, und es gab nur wenig Spuren von Zivilisation.
Wie immer flößte die unendliche Weite des Westens Dom Ehrfurcht ein. Aber diesmal rief die Landschaft auch neue Gefühle in ihm wach: das Bewusstsein unbegrenzter -und unheimlicher - Möglichkeiten. In dieser Einsamkeit fiel es ihm leicht zu glauben, dass ihm hier etwas Mysteriöses und Erschreckendes widerfahren war.
Um Viertel vor drei legte er in Winnemucca -einer Stadt mit nur 5000 Einwohnern, die dennoch in weitem Umkreis die größte Ortschaft war - eine kurze Rast ein, tankte und aß ein Sandwich. Dann setzte er seine Fahrt auf der I-80 in östlicher Richtung fort. Das Land stieg allmählich zum Rand des Großen Beckens hin an. Überall am Horizont ragten nun schneebedeckte Berge empor, zwischen dem Beifuss tauchten immer mehr Grasbüschel auf, und stellenweise gab es sogar richtige Wiesen, obwohl die Wüste noch keineswegs hinter ihm lag.
Bei Sonnenuntergang bog Dom von der Interstate auf die Landstraße ab, die zum Tranquility Motel führte, parkte in der Nähe des Eingangs zum Büro, stieg aus dem Wagen und wurde von einem kalten Wind überrascht. Nach seiner langen Fahrt durch die Wüste war er psychologisch auf Hitze eingestellt gewesen, obwohl er natürlich wusste, dass es jetzt auf den Hochebenen Winter war. Er holte eine Lederjacke mit Wollfutter aus dem Auto und zog sie an. Er machte einige Schritte auf das Motel zu ... dann blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen.
Dies war der Ort! Er hätte nicht sagen können, woher er es wusste. Aber er wusste es. Hier war etwas Merkwürdiges geschehen.
Im vorletzten Sommer war er am Freitag, dem 6. Juli, hier
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