Schwarzer Mond: Roman
er Angst, sie zu verlieren -vielleicht, weil er von jeher geglaubt hatte, dass Sandy einen besseren Mann als ihn verdient hätte.
Um halb zehn, als der große Andrang zur Abendessenszeit vorbei war und nur noch sieben Gäste das Lokal bevölkerten, kamen Faye und Ernie mit jenem dunkelhaarigen, gutaussehenden Mann herein, der sich am frühen Abend so eigenartig aufgeführt hatte - zuerst war er völlig geistesabwesend herumgelaufen, und dann war er plötzlich davongerannt, als würde er von Höllenhunden gehetzt. Ned fragte sich, wer dieser Kerl wohl sein mochte, woher er Faye und Ernie kannte und ob die Blocks wussten, dass ihr Freund ein bisschen sonderbar war.
Ernie wirkte blass und mitgenommen, und Ned hatte den Eindruck, als versuche sein Boss nach besten Kräften, den Fenstern den Rücken zuzukehren. Und als er Ned grüßend zuwinkte, zitterte seine Hand heftig.
Faye und der Fremde nahmen einander gegenüber Platz, und an den Blicken, die sie Ernie zuwarfen, konnte man erkennen, dass sie seinetwegen sehr besorgt waren. Dabei sahen sie selbst ziemlich erschöpft aus.
Irgend etwas musste passiert sein. Ned war über Ernies Zustand so bestürzt, dass er für kurze Zeit seine Befürchtungen, Sandy könnte ihn verlassen, völlig vergaß. Als er dann aber sah, dass sie ungewöhnlich lange am Tisch der Blocks stehenblieb, als sie deren Bestellung notierte, war er sofort wieder beunruhigt. Von seinem Standort hinter der Theke konnte er nicht hören, was am Tisch gesprochen wurde, zumal ein Hamburger und zwei Eier laut in der Pfanne zischten. Aber er hatte den Eindruck, als zeige der Fremde auffälliges Interesse an Sandy und als sei sie beeindruckt von dessen gewandtem Auftreten. Er sagte sich, dass das nur blinde Eifersucht sei, totaler Blödsinn. Aber der Bursche sah nun einmal gut aus, und er war jünger als Ned und offensichtlich erfolgreich, genau der Typ Mann, mit dem sie eigentlich durchbrennen sollte, weil sie dann viel mehr vom Leben hätte, als Ned ihr je zu bieten vermochte.
Ned Sarver hielt nicht sehr viel von sich selbst. Er war nicht gerade hässlich, aber besonders anziehend sah er auch nicht aus.
Sein braunes Haar lichtete sich über der Stirn und an den Schläfen, und Geheimratsecken wirkten nur sexy, wenn man Jack Nicholson war. Seine hellgrauen Augen hatten in seiner Jugendzeit eine gewisse Anziehungskraft auf Frauen gehabt, aber jetzt wirkten sie nur noch farblos und müde. Er war nicht reich und würde auch nie zu Reichtum kommen. Mit 42 - er war zehn Jahre älter als Sandy - war es höchst unwahrscheinlich, dass ihm einmal der ganz große, unerwartete Durchbruch zum Erfolg gelingen würde.
Während er diese unerbittliche Selbstkritik übte, beobachtete er, wie Sandy sich endlich vom Tisch des Fremden entfernte und zu ihm an die Theke kam. Mit eigenartig verwirrtem Gesichtsausdruck gab sie ihm den Bestellzettel und fragte: »Wann schließen wir? Um zehn oder um halb elf?«
»Um zehn.« Ned deutete mit dem Kopf auf die wenigen Gäste. »Ist ja kaum was los heute abend.«
Sie nickte wortlos und ging rasch wieder zu Faye, Ernie - und zu dem Fremden.
Neds Befürchtungen nahmen zu. Soweit er das selbst beurteilen konnte, hatte er Sandy nur dreierlei zu bieten. Erstens war er ein wirklich guter Koch für Schnellgerichte und konnte deshalb immer problemlos eine Anstellung mit halbwegs ordentlichem Gehalt finden. Zweitens hatte er ein Talent für Reparaturen aller Art. Wenn ein Toaster, Mixer oder Radioapparat kaputt war, machte sich Ned mit seinem Werkzeugkasten an die Arbeit, und kurze Zeit später funktionierte das Gerät wieder. Diese Begabung erstreckte sich auch auf Lebewesen: Wenn er etwa einen völlig verängstigten Vogel mit gebrochenem Flügel fand, beruhigte er ihn durch behutsames Streicheln, nahm ihn mit nach Hause, pflegte ihn gesund und ließ ihn dann wieder frei.
Auf dieses Talent war Ned ziemlich stolz. Und drittens liebte er Sandy mit Leib und Seele.
Während er die von Faye, Ernie und dem Fremden bestellten Gerichte zubereitete, blickte er immer wieder zu Sandy hinüber und war sehr überrascht, als sie zusammen mit Faye alle Jalousien herunterzulassen begann.
Etwas Ungewöhnliches war im Gange. Sandy kehrte an Ernies Tisch zurück und unterhielt sich wieder mit dem gutaussehenden Fremden.
Irgendwie kam es ihm selbst wie eine Ironie des Schicksals vor, dass er befürchtete, Sandy zu verlieren, denn zweifellos hatte sein Talent, Dinge und Lebewesen wiederherzustellen, zu
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