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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht.
    Nach drei Stunden im Zeitungsarchiv des >Sentinel< aßen Ginger und Dom eine Kleinigkeit in einem Restaurant auf der Idaho Street, und um halb drei kehrten sie ins Tranquility Motel zurück. Faye und Ernie hielten sich immer noch im Büro auf. Köstliche Düfte aus der Küche im ersten Stock drangen bis hierher: Kürbis, Zimt, Muskatnuss, in Butter angebratene Zwiebeln, Hefeteig.
    »Und dabei können Sie den Truthahn noch gar nicht riechen«, sagte Faye. »Den hat Ned erst vor einer halben Stunde in den Herd geschoben.«
    »Er sagt, wir könnten um acht essen«, fuhr Ernie fort, »aber ich befürchte, dass die Düfte uns lange vorher verrückt machen und wir die Küche stürmen werden.«
    »Haben Sie im >Sentinel< etwas Wichtiges entdeckt?« fragte Faye.
    Bevor Ginger ihnen erzählen konnte, was Dom und sie herausgefunden hatten, öffnete sich die Tür des Motelbüros. Ein etwas dicklicher Mann trat, begleitet von einem Schwall kalter Luft, ein. Er hatte sich nicht erst die Mühe gemacht, beim Aussteigen aus seinem Wagen einen Mantel anzuziehen. Obwohl er eine graue Hose, einen dunkelblauen Blazer, einen hellblauen Sweater und ein weißes Hemd anstatt eines schwarzen Anzugs mit einem römischen Kollar trug, erkannten ihn alle auf den ersten Blick. Es war der junge Priester mit dem kastanienbraunen Haar, dem runden Gesicht und den grünen Augen, der auf dem Polaroid-Foto mit leerem Leichenblick in die Kamera starrte.
    »Vater Cronin!« rief Ginger.
    Sie fühlte sich zu ihm sofort genauso mächtig hingezogen wie zu Dominick Corvaisis. Sie spürte, dass sie auch mit dem Priester eine Erfahrung geteilt hatte, die noch viel erschütternder gewesen war als jene andere, die auch die Blocks und Sarvers miterlebt hatten. Innerhalb des EREIGNISSES, dessen sie alle an jenem Freitagabend Zeuge geworden waren, hatte es ein ZWEITES EREIGNIS gegeben, das nur einige von ihnen miterlebt hatten. Obwohl es eine äußerst unkorrekte Art der Begrüßung eines wildfremden Mannes -dazu noch eines Priesters -war, rannte Ginger auf Vater Cronin zu und umarmte ihn.
    Entschuldigungen waren jedoch überflüssig, denn Vater Cronin hatte offensichtlich die gleichen Gefühle wie sie. Ohne zu zögern erwiderte er ihre Umarmung, und einen Augenblick lang hielten sie einander umschlungen wie Bruder und Schwester nach langer Trennung.
    Dann trat Ginger etwas zurück, und Dom sagte: »Vater Cronin!« und umarmte den Priester ebenfalls.
    »Sie brauchen mich wirklich nicht mit >Vater< anzureden. Ich habe zur Zeit weder das Recht noch den Wunsch, als Priester behandelt zu werden. Bitte nennen Sie mich einfach Brendan.«
    Ernie rief nach Ned und Sandy und kam dann mit Faye hinter der Rezeption hervor. Brendan schüttelte Ernie die Hand und umarmte Faye; er verspürte große Zuneigung für die beiden, wenn auch nicht jenes unerklärlich mächtige Band der Zusammengehörigkeit, das ihn mit geradezu magnetischer emotionaler Kraft zu Dom und Ginger hinzog. Als Ned und Sandy ins Büro herunterkamen, begrüßte er sie auf die gleiche Weise wie Ernie und Faye.
    Wie Ginger am Vorabend, so sagte nun auch Brendan: »Ich habe das wundervolle Gefühl, als hätte ich mich mit ... mit meiner Familie getroffen. Sie empfinden es alle, nicht wahr? So als hätten wir die wichtigsten Momente unseres Lebens gemeinsam verbracht ... als hätten wir etwas erlebt, das uns für immer von allen anderen Menschen unterscheiden wird.«
    Trotz seiner Behauptung, dass er die einem Priester gebührende Ehrerbietung nicht verdiene, hatte Brendan Cronin eine starke geistliche Ausstrahlung. Sein rundes Gesicht mit den leuchtenden Augen und dem warmen Lächeln vermittelte Freude, und er redete mit einem Enthusiasmus, der ansteckend wirkte und Gingers Herz erwärmte.
    »Was ich in diesem Raum empfinde, bestätigt mir, dass es richtig war hierher zukommen«, sagte Brendan. »Ich soll mit Ihnen allen zusammen sein. Etwas wird hier geschehen, das uns verwandeln wird, das uns bereits verwandelt. Fühlen Sie es auch? Fühlen Sie es?«
    Die weiche Stimme des Priesters ließ Ginger angenehm erschauern, erfüllte sie mit einem unbeschreiblichen Gefühl ehrfürchtiger Verzückung, ähnlich jener, die sie bewegt hatte, als sie -damals eine junge Medizinstudentin -zum erstenmal in einem Operationssaal das pulsierende menschliche Herz in all seiner karmesinroten faszinierenden Rätselhaftigkeit und Großartigkeit erblickt hatte.
    »Wir wurden gerufen«, sagte Brendan. Das Wort - obwohl leise

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