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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ellbogen und gelangte schließlich in die vorderste Reihe.
    Die wütenden Polizisten versuchten die Menge zurückzudrängen; sie drohten mit Verhaftungen, schwenkten ihre Schlagstöcke, ließen die Visiere ihrer Helme herab. Vater Wycazik war zu jeder Lüge bereit, die die Polizei dazu veranlassen könnte, den Angriff auf das Haus zu verschieben. Er wollte den Polizisten weismachen, er sei Sharkles Seelsorger und wisse, was mit dem Mann los sei, wie man ihn dazu bringen könne, sich zu ergeben. Selbstverständlich wusste er das vorläufig nicht, aber wenn man ihm etwas Zeit ließ, wenn er mit Sharkle reden konnte, würde er vielleicht einen Weg finden, den Mann zum Aufgeben zu überreden. Es gelang ihm, einen Polizisten auf sich aufmerksam zu machen, der ihm jedoch nur zubrüllte, er solle zurücktreten. Er stellte sich als Priester vor, aber der Polizist hörte ihm nicht zu. Stefan öffnete hastig die oberen Mantelknöpfe und riss sich den weißen Schal vom Hals, damit der Mann sein römisches Kollar sehen konnte.
    »Ich bin Priester!«
    Aber der vorwärtsdrängende Pöbel stieß ihn gegen die Absperrung, der Holzbock fiel um, und der wütende Polizist sprang zurück und war nun noch weniger geneigt zuzuhören.
    Gleich darauf erschütterten zwei kleine Explosionen im Abstand von höchstens einer halben Sekunde die Luft. Die hundertköpfige Menge schrie wie aus einem Munde auf; alle erstarrten, denn jedem war klar, dass die SWAT-Männer die Kellertüren gesprengt hatten. Und dann folgte unerwartet eine dritte Explosion von solcher Stärke, dass das Pflaster erzitterte und die Trommelfelle zu platzen drohten; Bruchstücke von Sharkles Haus flogen durch die Luft, und einen Moment lang sah es so aus, als wäre der Winterhimmel selbst in Billionen kleiner Stücke zerborsten. Wieder entrang sich dem Mob ein einstimmiger Schreckensschrei; alle wichen entsetzt von der Absperrung zurück. Schlagartig wurde den Sensationshungrigen klar, dass der Tod nicht nur ein interessantes Schauspiel war, dass sie vielmehr unversehens zu unfreiwilligen Mitwirkenden in einem blutigen Drama werden könnten.
    »Er hatte eine Bombe!« rief einer der Polizisten an der Absperrung. »Mein Gott, Sharkle hatte da drin eine Bombe!«
    Er brüllte dem Fahrer des Krankenwagens zu: »Los! Schnell!«
    Mit heulender Sirene scherte der Wagen aus der Straßensperre aus und raste auf den Unglücksort zu.
    Vater Wycazik, der vor Entsetzen am ganzen Leibe zitterte, versuchte dem Krankenwagen zu Fuß zu folgen. Einer der Polizisten packte ihn jedoch am Arm und hielt ihn zurück. »Verdammt, zurück mit Ihnen!«
    »Ich bin Priester. Vielleicht verlangt jemand nach den Sterbesakramenten.«
    »Vater, es wäre mir völlig egal, auch wenn Sie der Papst höchstpersönlich wären. Wir können nicht sicher sein, dass Sharkle tot ist.«
    Vater Wycazik widersprach nicht, obwohl für ihn angesichts der Wucht der Detonation feststand, dass Sharkle tot war. Sharkle und seine Schwester. Und sein Schwager. Und die meisten Männer der SWAT-Mannschaft. Wieviel Tote mochten es insgesamt sein? Sechs? Zehn? Oder noch mehr?
    Er ging durch die Menge, zog zerstreut seinen Schal wieder an, knöpfte den Mantel zu und murmelte ein Vaterunser, vom Schock immer noch ganz benommen. Plötzlich sah er Roger Hasterwick, den arbeitslosen Barkeeper mit den sonderbar glänzenden Augen. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und fragte: »Was hat er der Polizei heute morgen zugerufen?«
    »Häh? Was?«
    »Bevor wir getrennt wurden, erzählten Sie mir doch, dass Calvin Sharkle eines der Kellerfenster einen Spalt weit geöffnet und eine Menge irres Zeug gebrüllt hat. Was hat er geschrieen?«
    Hasterwick erkannte seinen Gesprächspartner von vorhin, und sein Gesicht hellte sich auf. »Aber ja, klar! Es war wirklich total verrücktes Zeug, hanebüchener Unsinn!«
    Er runzelte angestrengt die Stirn und versuchte, sich an die genauen Worte des Irren zu erinnern. Als sie ihm einfielen, grinste er, fuhr sich genießerisch mit der Zunge über die Lippen und gab Sharkles Gefasel getreulich wieder, damit der Fremde sich auch darüber amüsieren konnte.
    Stefan amüsierte sich allerdings nicht im geringsten; ganz im Gegenteil, er war mit jeder Sekunde, die er dem Bericht lauschte, überzeugter davon, dass Sharkle nicht geistesgestört gewesen war. Verwirrt, ja, völlig durcheinander und zutiefst geängstigt durch den plötzlichen Zusammenbruch der Gedächtnisblockierung und durch den vorangegangenen

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