Schwarzer Mond: Roman
Straßensperre wegzurennen, in Richtung Scott Avenue. Hasterwick, der um keinen Preis ein neues Blutbad verpassen wollte, packte hastig einen Mann mit Pickeln im Gesicht und einer Waschbärmütze auf dem Kopf am Arm. »Was ist los? Was ist passiert?«
Der Mann versuchte, sich von Hasterwick loszureißen. »Da unten hat jemand im Autoradio den Polizeifunk drin. Die SWAT-Jungs wollen dem verdammten Sharkle jetzt endgültig den Garaus machen!« Er rannte weiter, und Hasterwick folgte ihm hastig.
Vater Wycazik starrte der sensationslüsternen Menge nach, dann betrachtete er das knappe Dutzend Zuschauer, das bei der Straßensperre zurückgeblieben war. Stefan wurde von der düsteren Vorahnung gequält, dass es weitere Tote geben würde. Er musste irgendwie ins Geschehen eingreifen, um das zu verhindern. Aber er konnte nicht denken. Er war vor Entsetzen wie gelähmt. Bisher hatte er nur die positiven Seiten des mysteriösen Geschehens kennengelernt. Die Wunderheilungen und die übrigen Phänomene hatten in ihm nur Freude und die Erwartung auf weitere göttliche Offenbarungen geweckt. Nun wurde er plötzlich mit der dunklen Seite des Mysteriums konfrontiert und war zutiefst erschüttert.
Schließlich eilte er Roger Hasterwick und den anderen nach, obwohl ihm der Gedanke zuwider war, dass man auch ihn für einen blutrünstigen Schaulustigen halten könnte. Die Meute drängte sich einen Block südlich der O'Bannon Lane um einen stahlblauen Chevrolet mit aufgemalter kalifornischer Strandansicht auf einer Seitenfläche. Der Besitzer, ein großer, bärtiger Mann, saß am Steuer; er hatte beide Türen geöffnet und das Radio auf volle Lautstärke gedreht, damit alle über Polizeifunk hören konnten, was vorging.
Die SWAT-Mannschaft war gerade dabei, im Erdgeschoss von Sharkles Haus Position zu beziehen. Mit einer genau dosierten Ladung Plastiksprengstoff sollte die Kellertür aus den Angeln gerissen werden, ohne dass dabei Schrapnelle im Keller umherflogen. Gleichzeitig sollte eine weitere Gruppe von Polizeibeamten mit einer ebenfalls sorgfältig dosierten Ladung die äußere Kellertür sprengen. Noch bevor die Rauchwolken abzogen, sollten beide Gruppen den Keller stürmen und Cal Sharkle von zwei Seiten überwältigen. Diese Strategie war sowohl für die Polizisten als auch für die Geiseln sehr gefährlich, aber die Behörden hatten entschieden, dass die Situation für die Geiseln noch viel gefährlicher würde, wenn man nicht endlich etwas Drastisches gegen Sharkle unternahm.
Während er den Befehlen im Radio lauschte, begriff Vater Wycazik schlagartig, dass er den Sturmangriff verhindern musste, weil sonst ein unvorstellbares Blutbad angerichtet würde. Er musste unbedingt die Erlaubnis erhalten, sich dem Haus nähern und mit Sharkle sprechen zu dürfen.
Jetzt!
Sofort!
Auf der Stelle!
Er rannte zurück zur O'Bannon Lane, ohne genau zu wissen, was er Sharkle eigentlich sagen wollte, womit er den geistesgestörten Mann zur Vernunft bringen könnte. Vielleicht mit dem Satz: »Sie sind nicht allein, Cal!« Irgend etwas würde ihm schon einfallen.
Sein plötzliches Wegrennen vom Chevrolet brachte die Menge auf den Gedanken, er müsse gehört oder gesehen haben, dass bei der Straßensperre etwas Interessantes vorging. Stefan wurde schon auf halbem Wege von jüngeren und schnelleren Gaffern überholt. Sie brüllten aufgeregt durcheinander und schwärmten, um rascher voranzukommen, vom Gehweg auf die Straße aus, wodurch der ohnehin schon stark behinderte Verkehr auf der Scott Avenue vollständig zusammenbrach. Bremsen kreischten. Ein lautes Hupkonzert setzte ein. Stoßstangen prallten dröhnend aufeinander. Stefan wurde so rücksichtslos beiseitegestoßen, dass er auf Hände und Knie fiel. Niemand blieb stehen, um ihm aufzuhelfen. Er kam allein wieder auf die Beine und rannte weiter. Animalische Tollwut und Blutrünstigkeit lagen in der Luft. Stefan war entsetzt über das Verhalten seiner Mitmenschen. Mit rasendem Herzklopfen schoss es ihm durch den Kopf: Vielleicht ist das die Hölle -dazu verdammt zu sein, in alle Ewigkeit inmitten einer wahnsinnigen, kreischenden Horde zu rennen.
Als Stefan die Polizeisperre erreichte, herrschte dort ein fürchterliches Gedränge. Er versuchte, sich einen Weg durch den Mob zu bahnen, um mit der Polizei sprechen zu können.
Seine Rufe, er sei Priester, verhallten ungehört; sein Filzhut wurde ihm vom Kopf gestoßen, aber er machte nun seinerseits rücksichtslos Gebrauch von seinen
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