Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
West-End-Central-Polizeistation zu befinden, befragten sie mich nach Einzelheiten der Verfolgungsjagd zum Trocadero Centre und des nachfolgenden Todes der Verdächtigendurch einen Sturz von der obersten Galerie. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras waren anscheinend sehr deutlich: Als die Verdächtige über das Geländer fiel, war ich so weit von ihr entfernt, dass ich sie unmöglich gestoßen haben konnte, andererseits hätte ich auch nicht rechtzeitig bei ihr sein können, um sie zu retten. Man sah keinen Grund, warum ich nicht wieder meinen Dienst antreten sollte, warnte mich aber, dass man erst am Beginn der Untersuchungen stehe.
»Mag sein, dass wir später noch weitere Fragen an Sie haben.«
Ich bin ziemlich sicher, dass man mir an diesem Punkt eigentlich psychologische Hilfe hätte anbieten müssen, aber das war nicht der Fall. Was ich bedauerlich fand, denn ich wäre nicht abgeneigt gewesen. Leider sind die Regeln ganz klar: Als Polizist von echtem Schrot und Korn nimmt man psychologische Betreuung nur in Anspruch, wenn man sie von der
Guardian
-lesenden Sozialfuzzifraktion aufgedrückt bekommt. Vor den Kollegen brummt man, dass einem das gerade noch gefehlt hat, aber man kennt ja diese gefühlsduseligen Paragraphenreitertypen, nicht wahr. Dann kippt man sein Bier hinunter und kann weiter seinen Job machen, ohne dass die eigene Würde Schaden genommen hat.
Außer der Aussage vor dem DPS musste ich auch selbst einen Bericht für die Akten schreiben, wozu ich mich in die sichere Remise zurückzog. Bevor ich ihn einreichte, schickte ich ihn erst Lesley zur Überprüfung. Sie schlug vor, ich solle absichtlich noch ein paar Fehler hineinschmuggeln, weil nichts so sehr nach Vertuschung schreit wie makellos widerspruchsfreie Aussagen, also stellte ichmir vor, ich wäre ein harmloser Mitbürger und könnte mich an einiges nicht mehr richtig erinnern. Lesley gab mir auch überdeutlich zu verstehen, dass es idiotisch und, viel schlimmer, unprofessionell von mir gewesen sei, ohne Verstärkung ins Trocadero Centre zu rennen. Leider müsse sie feststellen, dass meine schlechten Angewohnheiten alarmierend überhandnahmen, wenn sie nicht in der Nähe war, um sie zu unterbinden. Ich ließ sie noch eine Weile weiterschimpfen, vor allem, weil es ihr einen Heidenspaß zu machen schien.
Und ich versprach ihr, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
Am Nachmittag entließ Dr. Walid Nightingale aus der Klinik. Dieser kehrte kurz ins Folly zurück, um sich umzuziehen, und eilte postwendend wieder davon, um die Arbeit der Spurensicherung im Club zu überwachen. Ich fragte, ob er mich brauche, aber er verneinte und gab mir eine Liste von Lesematerial, darunter ein Kommentar von Bartholomew auf Latein. Vermutlich hoffte er, ich würde den restlichen Tag mit dem Text in der einen und dem Lateinwörterbuch in der anderen Hand zubringen, aber ich tippte einfach die relevanten Passagen in ein Online-Übersetzungsprogramm ein und versuchte mir dann einen Reim auf das Kauderwelsch zu machen, das dabei herauskam.
Ich glaube, Bartholomew stellte Vermutungen darüber an, ob es möglich wäre, mit Hilfe von Magie die Eigenschaften zweier verschiedenartiger Wesen zu vereinen, womit man sich seiner Meinung nach an
jener großen Kette des Daseins
versündigte – der wunderbaren Hierarchie der Arten, in der ganz unten der Schleim und ganz oben die Engel stehen, so verfügt von Gott dem Herrn. In meinerAusgabe hatte jemand etwas in sehr kleinen Druckbuchstaben an den Rand geschrieben, das mein Übersetzungsprogramm als »Leute werden Natur und umgekehrt gebildet« wiedergab.
Echte Cat-Girls, dachte ich. Der Strip-Club des Dr. Moreau. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, mit etwas so Geschmeidigem, Pelzigem zu schlafen wie einem Tiger. Wer auch immer diesen Club besaß, musste ein Vermögen gemacht haben. Dem alten ethisch fragwürdigen Magier hatte Chief Inspector Johnson geholfen, das Ganze geheim zu halten, aber auf welche Weise hatte der Neue, sein mutmaßlicher Lehrling, sicherstellen wollen, dass nichts davon rauskam?
Am nächsten Morgen nahm mich Nightingale mit auf Besichtigungstour in den Strip-Club des Dr. Moreau. Der Treppenabsatz und die Garderobe waren passenderweise zu dem Bereich umfunktioniert worden, wo man sich die Plastikoveralls an- und ausziehen konnte. Dr. Walid wartete schon auf uns und ermahnte uns, auf unsere Füße zu achten. Die Treppe hinunter verliefen massenhaft Kabel, die mit Bühnenklebeband an
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