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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Studenten trugen adrette rote Adidas-Sweatshirts mit dem Schriftzug MNU PIONEERS auf der Brust. Sie nickten nervös. »Hi«, sagte der eine. »Wir kommen aus Kansas.«
    Wir warteten höflich auf weitere Details, aber weder er noch der andere sagten auch nur ein weiteres Wort in den zehn Minuten, die sie brauchten, um aufzuessen, zu zahlen und zur Tür hinaus zu flüchten.
    »Was ist überhaupt ein MNU?«, fragte Max.
    »Bisschen spät, die Frage«, sagte James.
    Die Kellnerin kam und knallte uns unser Essen vor die Nase. Ich hatte gebratene Bandnudeln mit Ente, Daniel und Max teilten sich Cashew-Huhn, Schweinefleisch süß-sauer und gebratenen Reis mit Ei, und James hatte Nudeln mit Rindfleisch. Die Band bestellte noch eine Runde Tsingtao-Bier, ich hielt mich an den grünen Tee,den man kostenlos in einer schlichten weißen Keramikkanne bekam. Ich fragte die Band, ob sie oft im Spice of Life spielten. Sie mussten lachen.
    »Ein paarmal bisher«, sagte Max. »Meistens zum Mittagsspot am Montag.«
    »Und, hatten Sie Publikum?«
    »Es wird schon allmählich«, sagte James. »Wir hatten schon Gigs im Bull’s Head, im Foyer des National Theatre und im Merlin’s Cave in Chalfont Saint Giles.«
    »Letzten Freitag hatten wir zum ersten Mal ein Set am Abend«, erzählte Max.
    »Und was wäre als Nächstes gekommen?«, wollte ich wissen. »Eine Aufnahme?«
    »Cyrus hätte sich von uns getrennt«, sagte Daniel.
    Alle starrten ihn an.
    »Ach kommt, Jungs, das war doch absehbar. Wir hätten noch ein paar Gigs gehabt, jemand wäre auf ihn aufmerksam geworden und schon hätte es geheißen:
Tschüss, war nett, Jungs, wir bleiben in Verbindung.
«
    »War er so gut?«, fragte ich.
    James starrte finster seine Nudeln an und stach ein paarmal erbittert mit der Gabel darauf ein. Dann lachte er leicht. »Ja, war er. Und er wurde immer besser.« Er hob seine Bierflasche. »Auf Cyrus, das Sax. Weil Talent sich nicht unterdrücken lässt.«
    Wir stießen an.
    »Wisst ihr was«, sagte James. »Lasst uns nach dem Essen mal schauen, ob es irgendwo Jazz gibt.«
     
    An einem warmen Sommerabend ist Soho voller Leben, Lachen und Zigarettenrauch. Vor jedem Pub stapeln sichdie Gäste bis auf die Straße, jedes Café hat Tische draußen auf dem Bürgersteig, der gerade so breit ist, wie es einst nötig war, um Fußgänger nicht im Pferdemist versinken zu lassen. Auf der Old Compton Street waren jede Menge durchtrainierte junge Männer in weißen T-Shirts und hautengen Jeans dabei, einander und ihrem eigenen Spiegelbild in den Schaufensterscheiben bewundernde Blicke zuzuwerfen. Ich erwischte Daniel dabei, wie er seinen Radar auf ein Rudel knackiger Jungs richtete, die sich vor dem Admiral Duncan beschnupperten, aber sie ignorierten ihn. Nach all ihren Mühen im Fitnessstudio würden sie jetzt sicher nicht mit einer Trotzki-Brille anbandeln.
    Eine Gruppe wüstengebräunter junger Frauen mit vorgeschriebener Haarlänge und einem ganzen Spektrum von Dialekten schwirrte vorbei   – Soldatinnen auf dem Weg nach Chinatown und in die Clubs am Leicester Square.
    Man konnte nicht sagen, dass wir die Old Compton Street entlanggingen, vielmehr wurden wir von einer Menschenansammlung zur nächsten geschoben. James wäre uns beinahe verlorengegangen, als zwei Mädchen in High Heels und pinken Strick-Minikleidern vorbeistöckelten. Da sie aber nichts von ihm wissen wollten, schlug er vor, in ein Lokal in der Bateman Street zu gehen, einen kleinen Kellerclub in der großen Tradition des legendären Flamingo.
    Es war noch nicht lange her, dass ich in diesem Viertel in Uniform meine Runden gedreht hatte, und mich ergriff eine düstere Ahnung, wohin er wollte. Mein Dad geriet bekanntermaßen in nostalgische Schwärmerei, wenn er seine Jugend heraufbeschwor, die er in verrauchten Kellerkneipen voller Musik, Schweiß und Mädchen in engenPullis vergeudet hatte. Im Flamingo, so erzählte er, musste man sich im Prinzip gleich einen Platz suchen, an dem man den ganzen Abend zu verbringen gedachte, denn wenn es erst richtig losging, war es nicht mehr möglich, sich von der Stelle zu rühren. Das Mysterioso sollte ganz bewusst an diese Zeiten anknüpfen, so die Absicht der Besitzer, zweier munterer Gesellen, die der Inbegriff des schlitzohrigen Cockney-Straßenhändlers gewesen wären, kämen sie nicht aus Guildford. Sie hießen Don Blackwood und Stanley Gibbs, nannten sich aber das Management. Die Wochenenden, an denen Lesley und ich nicht vor dieses Etablissement gerufen

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