Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
nach sechs war ich dort und fand sie schon alle an einem Tisch vor einer Wand, an der Fotos von Leuten hingen, die berühmt gewesen waren, als mein Dad es nicht war.
Im Programmheft des Spice of Life waren meine Gesuchten als The Better Quartet aufgeführt. Auf mich machten sie eigentlich keinen besonders jazzermäßigen Eindruck. Bassisten sagt man ja nach, etwas gemütlich zu sein, und Max – eigentlich hieß er Derek – Harwood trieb das auf die Spitze: ein absoluter Durchschnittstyp, weiß, Mitte dreißig, der unter seiner Jacke sogar einen Pulli von Marks & Spencer mit Rautenmuster und V-Ausschnitt trug.
»In meiner vorigen Band gab es schon einen Derek«, erklärte er. »Deshalb lief ich unter Max. Um Verwechslungen zu vermeiden.« Er nippte dezent an seinem Bier. Ich hatte die erste Runde ausgegeben und fühlte michentsprechend ausgeplündert. Max war Spezialist für integrierte Systeme bei der Londoner U-Bahn – das hatte wohl irgendwas mit Signaltechnik zu tun.
Der Pianist, Daniel Hossack, war Musiklehrer mit klassischer Ausbildung an der Westminster School für rettungslos Privilegierte. Er hatte schütter werdendes blondes Haar, eine runde Trotzki-Brille und diese vernünftig-freundliche Art, die ganz sicher dazu führte, dass er bei den pickligen Witzbolden aus der elften, zwölften Klasse einen schweren Stand hatte.
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«, fragte ich.
»Kennengelernt kann man so eigentlich nicht sagen«, erklärte James Lochrane, der Schlagzeuger (klein, Schotte, streitlustig, unterrichtete französische Geschichte des 17. Jahrhunderts am Queen Mary’s College). »Ich würde sagen, wir haben uns gefunden. Das war vor etwa zwei Jahren …«
»Eher drei«, widersprach Max. »Im Selkirk Pub. Die haben sonntagnachmittags Jazz auf dem Programm. Cy wohnt da in der Nähe, es ist also sozusagen seine Stammkneipe.«
»Wir waren alle vier da und hörten dieser furchtbaren Band zu, die irgendwas völlig verhunzte …« Daniels Blick verlor sich irgendwo in vergangenen Tagen. »Ich weiß gar nicht mehr, welches Stück es war.«
»Body and Soul?«
, fragte ich.
»Nein«, sagte James. »
Saint Thomas
.«
»Ja, und sie ermordeten ihn auf grausame Weise«, fuhr Daniel fort. »Und Cy sagte so laut, dass alle es hören konnten, auch die Band: ›Ich wette, jeder von uns hier könnte das besser spielen‹.«
»So was tut man natürlich nicht«, erklärte Max. Alle drei grinsten. »Und schon sitzen wir gemeinsam an einem Tisch, bestellen eine Runde nach der anderen und unterhalten uns über Jazz.«
»Wie gesagt«, bemerkte James. »Wir haben uns gefunden.«
»Daher unser Name, The Better Quartet«, sagte Daniel. »Weil wir uns für besser hielten.«
»Und waren Sie besser?«
»Nicht merklich«, gab Max zu.
»In der Tat eher schlechter«, bekannte Daniel.
»Aber wir machten langsame Fortschritte.« Max lachte. »Wir haben immer bei Cy geprobt.«
»Ziemlich oft«, sagte Daniel und leerte sein Glas. »Also, wer möchte was?«
Im French House gibt es keine Pints, daher beschlossen sie, sich eine Flasche Roten zu teilen. Ich entschied mich für ein halbes Bitter – der Tag war lang gewesen, und nichts macht einen Mann so durstig wie lateinische Deklination.
»Zwei-, manchmal dreimal pro Woche«, erzählte Max.
»Sie hatten also richtig Ehrgeiz?«, fragte ich.
»So ernst war es eigentlich keinem von uns«, sagte James. »Wir waren ja keine Teenies mehr, die unbedingt hoch hinaus wollen.«
»Trotzdem ist das ganz schön viel investierte Zeit.«
»Oh, wir wollten einfach besser werden«, sagte James.
»Wir sind Jazzer aus Überzeugung«, sagte Max. »Wir spielen, um zu spielen, verstehen Sie?«
Ich nickte.
»Wo holt der denn unsere Drinks, über der Themse drüben?«, fragte James.
Wir reckten die Hälse und schauten zur Theke hinüber. Daniel hüpfte im Gewühl auf und ab, die Hand mit einem optimistisch zwischen die Finger geklemmten Zwanzigpfundschein erhoben. An einem Samstagabend in Soho wäre es vielleicht wirklich schneller gewesen, über die Themse zu gehen.
»Wie ernst war es Cyrus?«, wollte ich wissen.
»Nicht ernster als uns«, antwortete James.
»Aber er war gut«, sagte Max. Er deutete mit den Händen ein Saxofonsolo an. »Er hatte dieses gewisse Etwas – diesen Sax-Appeal.«
»Deshalb zog er die Weiber an«, sagte James.
Max seufzte. »Und aus.«
»Melinda Abbott?«, fragte ich.
»Ach, Melinda«, sagte Max.
»Melinda war nur die für
Weitere Kostenlose Bücher