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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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altem Holz und poliertem Messing bestand, verströmte das Mysterioso den Charme von Betonboden und diesen aufgeschäumten Tapeten, deren sich die indischen Restaurants so circa gegen Ende der Neunziger entledigt hatten. Wie angekündigt war es schummrig, überfüllt und überraschend verqualmt. In seinem Bestreben nach Authentizität ließ sich das Management offensichtlich von dem Gesetz über das Rauchverbot in öffentlichen Räumen von 2006 nicht übermäßig beeindrucken. Und nach dem süßlichen Aroma zu schließen, das die im Takt nickenden Köpfe der Gäste einhüllte, war es nicht nur Tabak, was hier geraucht wurde   – mein Dad hätte sich wie zu Hause gefühlt, auch wenn die Akustik zum Heulen war. Fehlte nur noch eine animierte Charlie-Parker-Schießbudenfigur in der Ecke, und der Retro-Themenpark wäre perfekt gewesen.
    Wie alle Musiker seit Anbeginn der Welt strebten James und seine Jungs erst einmal unaufhaltsam zur Theke. Ich ließ sie ziehen und bewegte mich in Richtung Bühne, auf der die Funk Mechanics aufspielten, zumindest war das auf der Vorderseite der Basstrommel zu lesen. Ihrem Namen getreu spielten sie Jazz-Funk. Sie bestanden aus zweiweißen Typen, einem schwarzen Bassisten und einer rothaarigen Schlagzeugerin, die, auf die verschiedenen Regionen ihres Gesichts verteilt, bestimmt ein Pfund Silber mit sich herumschleppte. Während ich mich zu ihnen durchschlängelte, erkannte ich, dass sie eine funkige Version von
Get out of Town
spielten, aber mit einem so deplatzierten Latin-Rhythmus, dass ich richtig sauer wurde. Was ich schon zu diesem Zeitpunkt seltsam fand.
    Die Wände entlang zogen sich Sitzecken mit zerschlissenen roten Samtpolstern, von denen aus man die Tanzfläche beobachten konnte. Auf den Tischen drängten sich Berge von Flaschen, und größtenteils bleiche Gesichter wippten im Takt, während die Funk Mechanics den Klassiker folterten. In der hintersten Sitzecke knutschte ein Pärchen. Die Hand des Mannes war im Dekolleté der Frau vergraben, und durch den Stoff sah man auf obszöne Weise die Umrisse seiner grapschenden Finger. Bei dem Anblick wurde mir übel, Wut stieg in mir hoch, und da wurde mir klar, dass diese Gefühle nichts mit mir zu tun hatten. Ich hatte in meinem Leben schon Schlimmeres gesehen, und eigentlich mag ich Jazz-Funk ganz gern. Ich musste eine
Lacuna
passiert haben, eine Stelle, wo sich Restmagie abgelagert hatte. Meine Ahnung bestätigte sich also: Hier unten war irgendwas faul.
    Lesley kritisierte immer, dass ich mich zu leicht ablenken ließ, um ein guter Polizist zu sein. Aber sie wäre durch die
Lacuna
hindurchgestiefelt, ohne ihr die mindeste Beachtung zu schenken, das muss auch mal gesagt werden.
    James und die Band drängten sich durch die Menge zu mir durch und überreichten mir eine Flasche Bier. Ich nahm einen Schluck; es war gut. Ein Blick auf das Etikett brachtedie Erklärung   – es war ein teures Schneider-Weisse. Ich sah auf. Die drei hoben identische Flaschen in die Höhe. »Ging aufs Haus«, brüllte Max ein bisschen aufgeregt.
    Ich merkte, dass James sich gern mit mir über meinen Dad unterhalten hätte, aber zum Glück war es dafür zu laut und zu voll.
    »So macht man das also heutzutage«, brüllte Daniel.
    »Sieht so aus«, brüllte James.
    Und da war es plötzlich, das
Vestigium
, kühl und fern über der Hitze der tanzenden Leiber. Es unterschied sich von dem magischen Nachhall, der an Cyrus Wilkinson gehaftet hatte. Dieses Echo war frischer, knackiger, und hinter dem Solo hörte ich weiblichen Gesang:
My heart is sad and lonely
. Und wieder der Geruch nach Staub, Sägespänen und angekokeltem Holz.
    Und noch etwas. Bei dem
Vestigium
an Cyrus hatte ein Saxofon gespielt, aber das hier war definitiv eine Posaune. Mein Dad belächelte die Posaune immer ein bisschen. In einer Bigband fand er sie in Ordnung, doch er meinte, die wirklich anständigen Posaunisten könne man an den Fingern eines Fußes abzählen. Selbst mein Dad gab aber zu, dass jemand, der auf einer Zugposaune gute Soli hinbekam, etwas Besonderes war. Es folgte in der Regel ein Vortrag über Kai Winding oder J.   J.   Johnson. Doch hier auf der Bühne standen nur Trompete, Bass und Schlagzeug   – keine Posaune weit und breit.
    Ich bekam das ungute Gefühl, um eine Ziffer am Hauptgewinn vorbeigeschlittert zu sein.
    Ich spürte dem
Vestigium
durch die Menge nach. Links von der Bühne, halb verborgen hinter den Verstärkern, gab es eine Tür, auf die schief NUR FÜR

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