Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
PERSONALgemalt worden war, gelbe Schablonenschrift auf schwarzem Grund. Erst als ich vor der Tür stand, bemerkte ich, dass die Band mir gefolgt war wie eine Herde verlorener Schäflein. Ich sagte, sie sollten draußen warten – klar, dass sie mit reinkamen.
Die Tür führte direkt in die Künstlerlounge/Garderobe/Rumpelkammer, einen schmalen Schlauch, der wie ein ehemaliger Kohlenkeller wirkte. Die Wände waren mit uralten vergilbten Postern von Bands und Veranstaltungen gepflastert. Eine altmodische Theater-Frisierkommode mit einem Bogen nackter Glühbirnen darüber klemmte malerisch zwischen einem amerikanischen Monsterkühlschrank und einem Tapeziertisch mit weihnachtlich grünroter Papiertischdecke. Dann gab es noch einen Couchtisch mit einem Wald von Bierflaschen darauf und zwei grüne Ledersofas. Auf dem einen lag eine weiße Frau Anfang zwanzig und schlief.
»So lebt es sich also in den luftigen Höhen des Ruhms«, bemerkte Daniel.
»Da hätten sich all die Jahre des Probens ja fast gelohnt«, sagte Max.
Die Frau auf dem Sofa setzte sich auf und starrte uns an. Sie trug eine Latzhose und ein gelbes T-Shirt mit der Aufschrift SAID NO SO FUCK OFF.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie. Über eine ihrer Wangen zog sich ein Streifen ihres dunkelvioletten Lippenstifts.
»Ich suche die Band«, sagte ich.
»Tun wir das nicht alle?« Sie streckte die Hand aus. »Peggy mein Name.«
Ich beachtete die Hand nicht. »Die Band?«
Peggy seufzte und ließ die Schultern kreisen, was ihren Busen nach vorn drückte und unser aller Aufmerksamkeit fesselte – außer Daniels natürlich. »Sind sie nicht auf der Bühne?«
»Die Band davor«, sagte ich.
»Sind die schon weg?«, fragte Peggy. »Oh, dieses Biest, sie wollte mich doch nach dem Set aufwecken. Das ist wahrhaftig das Letzte.«
»Wie hieß die Band?«, wollte ich wissen.
Peggy rollte sich vom Sofa und begann nach ihren Schuhen Ausschau zu halten. »Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Es war Cherrys Band.«
»Hatten sie einen Posaunisten?«, fragte ich. »Einen guten?«
Max fand ihre Schuhe hinter dem anderen Sofa – Riemchensandalen mit Zehn-Zentimeter-Absätzen, die mir nicht ganz zu der Latzhose zu passen schienen. »Kann man wohl sagen. Sie meinen Mickey. Ein Jahrhunderttalent.«
»Wissen Sie, wohin sie nach dem Gig wollten?«
»Tut mir leid. Mich hat nur der Groove interessiert.« Auf ihren Absätzen war sie fast so groß wie ich. Die Latzhose klaffte an den Seiten auseinander und gab den Blick auf einen Streifen blasser Haut und einen dunkelroten spitzenbesetzten Slip frei. Ich sah weg – als wir den Raum betreten hatten, hatte ich das
Vestigium
verloren, und Peggy war nicht gerade förderlich für meine Konzentration. Ich fing flüchtige Eindrücke von anderen Dingen auf: Lavendelduft, den Geruch einer Motorhaube in praller Sonne und eine Art Dröhnen, wie die Stille nach einem ohrenbetäubenden Lärm.
»Wer sind Sie?«, fragte Peggy.
»Die Jazzpolizei«, sagte James.
»
Er
ist die Jazzpolizei«, präzisierte Max; ich nahm an, er meinte mich. »Wir sind bloß die Hilfstruppen von der Old Compton Street.«
Ich musste lachen, ein Beweis dafür, wie beschwipst ich noch war.
»Hat Mickey ein Problem?«, fragte Peggy.
»Nur wenn er seine Wasserklappe auf einer fremden Schulter ausgeleert hat«, sagte Max.
Ich hatte keine Zeit für weitere Scherze. Der Raum hatte eine zweite, als Notausgang gekennzeichnete Tür. Sie führte auf einen kurzen, kahlen Gang aus grauem Backstein, der in spektakulärer Ignoranz sämtlicher Hygiene- und Sicherheitsvorschriften halb mit Möbelstapeln, Kisten und schwarzen Plastiksäcken zugestellt war. Ein weiterer Notausgang mit einer Druckstange führte zu einer Treppe nach oben. Am oberen Absatz war eine Doppeltür, deren Druckstangen illegalerweise mit einem Fahrradschloss versperrt waren.
Nightingale beherrscht einen Zauber, der ein Schloss einfach aus der Halterung springen lässt, aber anscheinend wird es bei mir noch mindestens ein Jahr dauern, bis ich so weit bin. Ich musste also improvisieren. Ich hielt in sicherer Entfernung vor der Tür an und dirigierte eine meiner verunglückten Lichtbomben auf das Schloss. Die sind zwar ein bisschen unelegant, dafür aber umso durchschlagender. Die Hitze war so groß, dass ich noch einen Schritt zurücktreten musste. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich, wie das Schloss inmitten des kleinen wabernden Hitzeballs immer schlaffer wurde. Als ichdas
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