Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
Norfolk die Leiche schon weggeschafft hatte – das war weniger beeindruckend. Stephanopoulos und DCI Thompson zogen los, um die örtlichen Gendarmen in der Luft zu zerreißen, und ich musste sehen, wie ich allein zurechtkam.
»Keine Anzeichen für gewaltsames Eindringen«, sagte DC Trollope.
Entgegen den Vorurteilen meines Dad bestand die hiesige Polizei keineswegs aus Idioten oder den Produkten generationenlanger Inzucht. Falls die Eingeborenen von Norwich sich familienintern vermehrten, schickten sie ihren Nachwuchs jedenfalls nicht zur Polizei. Im Gegenteil, DC David Trollope war genau die Art nüchterner, sportlicher junger Mann, die jedem Möchtegern-Innenminister im Hinterland das Herz aufgehen lassen würde.
»Denken Sie, er hat den Täter ins Haus gelassen?«, fragte ich.
»Sieht so aus. Was meinen Sie?« Wie eine afrikanische Matrone bei einer Hochzeit ist sich jeder Polizeiangehörige der feinen, fast unsichtbaren Statusunterschiede unter den Kollegen bewusst. Wir hatten denselben Rang und waren etwa im gleichen Alter, aber der Nachteil, dass ich mich auf seinem Terrain bewegte, wurde von der Tatsache aufgewogen, dass ich in einem Achtzylinder-Jaguar XJ herkutschiert worden war, der unverkennbar aus unserem Kontingent für VI P-Schutz kam. Wir einigten uns auf eine etwas verlegene Kumpelhaftigkeit und würden die Begegnung vermutlich ohne peinliche Zwischenfälle überstehen,ganz wie die afrikanischen Matronen, sofern der Punsch nicht zu hochprozentig ausgefallen war.
»Gibt’s eine Alarmanlage?«
»Ja«, sagte Trollope. »Eine gute.«
Der Bungalow war ein scheußlicher roter Ziegelbau, ich tippte auf das Machwerk eines Schmierenarchitekten Anfang der Achtziger, der auf Art déco hinausgewollt hatte und stattdessen bei Tracey Emin gelandet war. Im Innern hatte es auch nicht mehr Charakter als von außen – das Sofa von World of Leather, nichtssagende Selbstaufbau-Möbel, Einbauküche. Mich überraschte nur, dass es drei Schlafzimmer gab.
»Hatte er Familie?«
Trollope blätterte in seinen Notizen. »Exfrau, Tochter, Enkelkinder. Leben alle in Melbourne in Australien.«
Die Einrichtung der beiden zusätzlichen Schlafzimmer stammte aus den Achtzigern, war ordentlich, sauber und unbenutzt. Trollope erzählte mir, zweimal die Woche komme eine Polin zum Saubermachen. »Sie hat die Leiche gefunden.«
Auf der Schwelle des Hauptschlafzimmers, das für Leute ohne Plastiküberzug noch gesperrt war, blieb ich stehen und schaute mir das Bett an. Die Spurensicherung hatte Bettzeug und Laken mitgenommen, aber die Matratze war noch da. Im unteren Drittel hatte sie einen rotbraunen Fleck. Sie war so mit Blut vollgesogen, dass es noch nicht getrocknet war, und der Geruch folgte mir bis ins Nebenzimmer. Ich hatte zwar selbst Handschuhe dabei, bat Trollope aber, mir ein Paar auszuleihen, damit er sich ein bisschen überlegen fühlen konnte.
Johnson mochte im Schlafzimmer gestorben sein, dochden größten Teil seines Lebens hatte er im Wohnzimmer verbracht. Breitbild-LC D-Fernseher , DV D-Player , die Fernbedienungen lagen griffbereit auf dem Wohnzimmertisch neben einer Ausgabe der
Radio Times
. Hier stand auch ein antiker Sekretär, der noch nicht auf Fingerabdrücke untersucht worden war, daher ließen wir ihn tunlichst in Ruhe. Und zwei verglaste Bücherschränke voller Taschenbücher aus den Siebzigern, Len Deighton, Ian Fleming, Clive Cussler. Es sah aus wie das Belletristikregal in einem Charity Shop. Die Unterschränke waren tiefer und hatten undurchsichtige Türen. Vorsichtig, weil sie auch noch nicht untersucht worden waren, öffnete ich sie. Bis auf ein paar Papierfetzen, die ich ebenfalls der Spurensicherung überließ, waren beide leer.
An den Wänden hingen einige überraschend gute Jagddrucke sowie ein gerahmtes Foto von Johnsons Abschlussjahrgang in Hendon. Welcher der blankpolierten Jungpolizisten er war, konnte ich nicht feststellen. Daneben hing ein Foto von ihm, wie er von einem ranghöheren Beamten – wie ich später erfuhr, war es kein Geringerer als Sir John Waldron, Commissioner der Metropolitan Police von 1968 bis 1972 – ein Belobigungsschreiben erhielt. Auf dem Kaminsims standen Familienbilder – eine Hochzeit inklusive fürchterlicher Koteletten und Schlaghosen, zwei Kinder, Junge und Mädchen, in verschiedenen Altersstufen: Kleinkind, Kindergarten, dann auf einem blassgelben Strand vor einem grünen Ozean. Ein paar waren hier vor dem Bungalow entstanden, da waren
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