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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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erreicht hatte.
    »Wissen Sie, Herr Kommissar«, sagte Elvira Flaig, obwohl Treidlers Frage nicht ihr gegolten hatte, sondern ihrem Sohn. »Der Sebastian, der hat viele Freunde.«
    »Kannst du uns auch ein paar Namen von deinen Freunden nennen?« Treidler schaute den Jungen an.
    »Jetzt, Sebastian, sag doch was.« Sie stieß ihrem Sohn den Ellenbogen in die Rippen, wartete allerdings nicht auf seine Reaktion. In noch schnellerem Tempo fuhr sie fort: »Mit dem Jungen vom Schuldirektor Lenzing ist er befreundet und mit der Tochter vom Hausarzt Mahler.« Sie schaute zu ihrem Sohn. »Gell, Sebastian. Und der Paul vom Nachbarn Schanz – das sind alles deine Freunde.«
    Treidler hob ergeben die Augenbrauen. »Danke, Frau Flaig, wirklich sehr nett von Ihnen. Aber ich wollte das eigentlich von Sebastian hören.«
    Erneut wandte Elvira Flaig sich an ihren Sohn und erklärte mit gespieltem Ärger: »Hast du gehört, Sebastian, was der Kommissar gesagt hat?«
    »Hauptkommissar«, verbesserte Treidler nun schon zum dritten Mal.
    »Wegen mir … der Haupt kommissar«, echote Elvira Flaig, nicht ohne die Vorsilbe »Haupt« unnötig zu betonen. »Der Sebastian ist kein Taugenichts.« Sie wiegte ihren Kopf hin und her. »Er treibt sich nicht im Dorf herum wie all die anderen Faulenzer. Jeden Mittag lernt er. Er ist nämlich in Rottweil, im Gymnasium …«
    »Hat der alte Mann schlimme Schmerzen gehabt?«, unterbrach Sebastian jäh den Redeschwall seiner Mutter.
    Sie war darüber so erschrocken, dass sie ihn mit offenem Mund anstarrte. Selbst Martin Flaig zeigte zum ersten Mal eine – wenn auch kaum wahrnehmbare – Regung: Er drehte kurz den Kopf zu seinem Sohn, jedoch nur, um sogleich wieder geradeaus zu stieren. Dabei änderte sich sein Gesichtsausdruck nicht im Geringsten.
    »Nein, Sebastian.« Melchior blickte den Jungen freundlich an. »Er war vermutlich sofort tot.«
    Sebastian nickte, während seine kleinen, wachen Knopfaugen Melchior von oben nach unten musterten. Treidler konnte nicht erkennen, ob er auf eine ausführlichere Antwort hoffte oder sie nur anstarrte, um ihre Brüste zu begutachten.
    »Des macht dem Bua überhaupt nix«, mischte sich nun Martin Flaig ein. »Dahoam schlachted mir au selber.« Sein Tonfall klang abgehackt. Fast so, als ob es ihn Mühe kostete, die Worte auszusprechen.
    »Aber Martin«, ermahnte ihn seine Frau schnell. »Die Kommissare wollen sicherlich nichts über unser Schlachtvieh wissen.« Sie lächelte verlegen.
    Damit hatte Elvira Flaig zum ersten Mal an diesem Morgen recht. Nein, über die Schlachtgewohnheiten im Hause Flaig wollte Treidler gewiss nichts wissen. Er atmete durch. »Gut, Sebastian, kürzen wir das ab. Ist dir an diesem Morgen irgendetwas auf dem Weg zur Bushaltestelle aufgefallen?«
    Elvira Flaig sog schon die Luft ein, um erneut draufloszuplappern. Bevor sie den Mund öffnen konnte, bedachte Treidler sie mit einem scharfen Blick. Es half – sie senkte ihre Augen und blieb ruhig.
    Laut wiederholte Treidler seine Frage. »Sebastian, also noch mal. Ist dir was aufgefallen an diesem Morgen? Egal was – und egal wie unwichtig es dir im Augenblick erscheint. Alles kann wichtig sein.«
    Simultan drehten sich die Köpfe seiner Eltern zur Tischmitte. Beide stierten Sebastian erwartungsvoll an. Dem wurde es unter den Blicken sichtlich unwohl. Trotzdem konnte Treidler an den zwei senkrechten Falten auf seiner Stirn erkennen, dass er innerlich den Morgen vor zwei Tagen Revue passieren ließ.
    »Los, antworte dem Kommissar«, forderte Elvira Flaig mit strenger Stimme.
    Treidler verzichtete darauf, seinen Dienstgrad ein weiteres Mal richtigzustellen. Sie würde es sich auch nach einem Dutzend Wiederholungen nicht merken können oder wollen.
    »Die alte Edda«, sagte Sebastian plötzlich mit vorsichtiger Stimme.
    »Was war mit der alten Edda? Hast du sie gesehen?«, fragte Melchior.
    »Sie ist mir entgegengekommen.«
    »Wie, entgegen?«, fragte Treidler ehrlich verwirrt.
    »Na, aus Richtung der Bushaltestelle.«
    »Und? Ist dir an Edda etwas aufgefallen?«
    »Hm …«, druckste Sebastian herum.
    »Was ›hm‹?« Treidler hatte die Faxen jetzt endgültig satt. Zuerst die Mutter, die beständig und ungefragt dazwischenquatschte, und schließlich dieser verzogene Balg, der den Mund nicht aufbekam. Warum machte er den ganzen Scheiß überhaupt mit? Es gab Wichtigeres zu tun. Diese Befragung war reine Zeitverschwendung und würde sie keinen Deut weiterbringen.
    »Nichts Besonderes«,

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