Schwarzer Neckar
heran. Treidler beschleunigte seine Schritte. Die Beifahrertür schwang auf, und die Frau mit dem Rollator ließ sich von der Dunkelhaarigen beim Einsteigen helfen. Anschließend wechselte sie ein paar Worte mit dem Taxifahrer. Nachdem die Gehhilfe im Kofferraum lag, fuhr das Taxi ohne sie und Edda davon.
»Guten Tag, die Damen«, keuchte Treidler, als er die beiden Frauen eingeholt hatte. Durch das schnelle Gehen war er etwas außer Atem geraten.
»Mit wem haben wir das Vergnügen?«, wollte die Dunkelhaarige wissen.
»Mein Name ist Treidler, Hauptkommissar Treidler.« Er zog seinen Ausweis hervor.
»Sie kommen mir bekannt vor, junger Mann«, entgegnete Edda und blickte zu ihm auf. Ihre Augen leuchteten und wurden größer.
»Ich weiß, Frau Broghammer. Wir kennen uns schon. Aber diesmal würde ich gern mit Ihrer Begleiterin sprechen.« Er warf der Dunkelhaarigen einen Blick zu.
»Felber, Gerlinde Felber ist mein Name.« Ihre Stimme klang energisch, und der feste Händedruck wollte so gar nicht zu ihrer zierlichen Statur passen. »Was wollen Sie von uns?« Gerlinde Felber musterte Treidler mit krauser Stirn.
»Ich muss Ihnen einige Fragen stellen.«
»Das passiert nicht oft, dass jemand etwas von mir wissen möchte.« Felber deutete ein Lächeln an.
»In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Toten?« Treidler blieb ernst.
»In welchem Verhältnis?« Sie wiederholte die Frage langsam und eine Spur zu deutlich. »In keinem natürlich.«
»Tatsächlich?« Treidler hob die Augenbrauen. »Warum besuchen Sie dann sein Begräbnis?«
»Wissen Sie, Herr Kommissar, in meinem Alter hat man nicht mehr viel Gelegenheit, aus dem Haus zu kommen …«
»… und aus Langeweile vertreiben Sie sich die Zeit mit Beerdigungen?«
»Warum nicht?«
»Weil das nicht besonders glaubwürdig klingt, Frau Felber. Sie sollten sich eine bessere Antwort einfallen lassen.«
»Hören Sie mal. Ich kann zu so vielen Beerdigungen gehen, wie ich will.«
»Natürlich können Sie das«, gab er zurück. »Aber in diesem Fall müssen Sie sich auch solche Fragen von mir gefallen lassen.«
»Sie haben mir bisher nur eine Frage gestellt. Und die habe ich Ihnen wahrheitsgemäß beantwortet.«
Nur ganz leicht zuckten ihre Mundwinkel, und Treidler spürte, dass sie log. »Wo waren Sie am Montagmorgen, so gegen drei Uhr früh?«
Für einen winzigen Augenblick flackerte Anspannung über ihr Gesicht. Dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle und reckte angriffslustig das Kinn. »Warum wollen Sie das überhaupt wissen? Wessen verdächtigen Sie mich?«
»Hören Sie, Frau Felber, ich habe eine, sagen wir, schwierige Nacht hinter mir und keinerlei Interesse, Ihnen jede meiner Fragen zu erklären. Also, wo waren Sie?«
Die Dunkelhaarige ließ ihren Blick von seinem Kopf bis hinunter zu den Füßen und wieder zurückwandern. Scharf sog sie Luft ein. »Junger Mann – wollen Sie mich allen Ernstes hier verhören?« Ihr Lächeln wirkte zwanghaft.
»Befragen«, korrigierte Treidler.
»Ich muss Ihnen nicht antworten, das weiß ich.«
»Auch ich weiß das. Aber sonst werden Sie mich auf die Wache begleiten müssen.« Spätestens jetzt würde die Frau ja wohl kooperieren.
Gerlinde Felber zog ein mürrisches Gesicht. »Kein Problem. Ich habe heute Nachmittag nichts vor. Kann ich mich zuvor noch umziehen? Ich wohne gleich da vorne. Dann können wir sofort gehen.« Sie deutete auf ein kleineres, frisch renoviertes Bauernhaus, kaum zweihundert Meter entfernt.
»Natürlich können Sie das. Aber ich werde Sie begleiten.« Treidler versuchte, seinen Tonfall so höflich wie möglich zu halten.
»Ich auch«, sagte Edda. Ein zufriedenes Lächeln lag um ihren Mund. Die Aussicht auf den kurzen Spaziergang bereitete ihr sichtlich Freude.
Wenig später erreichten sie den halbhohen Jägerzaun, der nahezu das gesamte Grundstück umschloss. Nur rechts vom Gartentor unterbrach ein kleinerer Holzschuppen mit rotem Ziegeldach die Umzäunung. Offensichtlich hatte er in früheren Zeiten als Unterstellplatz für einen Traktor gedient. Direkt davor, auf der hausabgewandten Seite, schmolzen ein paar kümmerliche Schneereste auf einer Sitzbank, deren Lehne nicht mehr existierte. Auch die anderen Holzlatten machten nicht den Eindruck, als ob sie diesen Winter überstehen würden.
»Soll ich mit hineinkommen, Gerlinde?«, fragte Edda.
»Nein, du wartest hier bei dem Herrn Kommissar. Ich bin gleich zurück.«
Mit einem Blick aus den Augenwinkeln wollte sich Treidler
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