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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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erinnern.«
    Sie zuckte zusammen und fuhr herum. Amstetter stand direkt hinter ihr. »Aber schon möglich«, ergänzte er in einem viel leiseren Tonfall.
    Wenn er nicht vor ihr stehen würde, könnte allein seine Stimme sie glauben machen, er wäre noch viel weiter entfernt. Hoffentlich hörte er nicht, wie laut ihr Herz pochte.
    »Denken Sie wirklich, ich bin blöd?«, fuhr Amstetter sie an. »Jemanden in ein Gespräch zu verwickeln, um jeden Augenblick informiert zu sein, wo sich derjenige im Zimmer aufhält? Das ist ein ziemlich alter Hut.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie in ein Gespräch verwickeln wollte? Mich interessiert nur, wie Treidler auf ihren Spitznamen kommt.«
    »Wer sind Sie? Warum schnüffeln Sie in meinen Unterlagen herum? Das sind nur Rechnungen der Kriminaltechnik. Die gehen Sie nun wirklich gar nichts an.«
    »Es tut mir leid. Das war nicht mit Absicht.«
    »Wie kann man denn unabsichtlich in einem Papierstapel herumschnüffeln?«
    »Das bringt der Beruf so mit sich.« Je länger sie redete, desto sicherer fühlte sie sich. Allmählich beruhigte sich ihr Herzschlag.
    Misstrauisch musterte Amstetter sie. Offenbar gab er sich mit ihrer Antwort zufrieden, denn schließlich nickte er. »Gut, Frau Kollegin. Wo haben Sie die Aufnahme abgespeichert?«

ACHTZEHN
    Das Laub des letzten Herbstes stob blitzartig auseinander. Unmöglich konnte der schwache Wind die Ursache dafür gewesen sein. Dann ein scharfer Knall. Kleine Steinchen und bunte Blätter wirbelten auf. Einen halben Meter vor Treidler war etwas in den Boden eingeschlagen.
    Er fuhr herum. Im rechten oberen Fenster des Bauernhauses glänzte ein längliches Stück Metall in der Sonne – ein Gewehr. Dünner Rauch stieg aus der Mündung auf. Dahinter, im Halbdunkel, ein Gesicht – Gerlinde Felbers Gesicht.
    »Hauen Sie ab! Sofort!«, schrie sie hinunter und legte erneut an. »Ich habe absichtlich danebengeschossen. Die Nächste trifft. Garantiert.«
    Ohne weiter nachzudenken, umklammerte Treidler Edda an ihrer schmalen Taille und zog sie unsanft mit sich in den Schutz des Holzschuppens.
    »Alles okay bei Ihnen?«, brachte er schwer atmend hervor und musterte Edda.
    Die nickte erschrocken. Sie schien unverletzt.
    Er presste sich mit dem Rücken an die Bretterwand und schob sich auf die Ecke des Schuppens zu. »Hören Sie damit auf, Frau Felber«, schrie Treidler. »Ich kann nicht einfach gehen.«
    Erneut vernahm er den Einschlag eines Geschosses, bevor er den Schussknall hörte. Diesmal traf die Kugel den Eckpfosten des Schuppens und riss ein faustgroßes Stück aus dem Holz.
    »Wir können Ihnen helfen, egal, was geschehen ist!«, brüllte er weiter.
    »Ihr verfluchten schwäbischen Trottel aus Rottweil. Ihr hattet über sechzig Jahre Zeit zu helfen.«
    Treidler tastete nach seiner Waffe. »Sechzig Jahre – wofür?«, rief er hoch, um weiter Zeit zu gewinnen. Verflucht – seine Pistole befand sich nicht an ihrem Platz. Nicht einmal das Holster hatte er umgebunden.
    »Wen interessiert das jetzt noch?« Felber sprach schnell. Zum ersten Mal meinte er, so etwas wie Unsicherheit in ihrer Stimme zu erkennen.
    »Mich interessiert das.«
    »Blödsinn. Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen.«
    Am besten, er beschäftigte sie mit Fragen. So würde sie wenigstens nicht weiterschießen. »Es liegt mir fern, Sie für dumm zu verkaufen, Frau Felber. Aber was hätten wir denn Ihrer Meinung nach die ganzen Jahre tun sollen?«
    »Ich habe mich selbst darum gekümmert.«
    »Um was haben Sie sich gekümmert?« Treidler kramte in den Taschen nach seinem Mobiltelefon.
    »Um den Verräter.«
    »Scheiße«, fluchte Treidler leise, als er bemerkte, dass auch das Handy zu Hause lag.
    »So etwas sagt man nicht«, flüsterte Edda. Es war das erste Mal, dass sie sich überhaupt rührte, seit sie hinter dem Schuppen in Deckung gegangen waren.
    »Ich habe mein Telefon nicht dabei.«
    »Das ist kein Grund, so zu fluchen«, entgegnete sie und blickte mit gespielter Strenge zu ihm hoch.
    »Tut mir ehrlich leid, Frau Broghammer. Aber ohne Telefon gehen mir so langsam die Ideen aus.«
    »Sie haben recht.« Edda schob den Schnee von der Sitzbank. »Sieht so aus, als ob es etwas länger dauern könnte.« Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Manteltasche, entfaltete es und setzte sich darauf.
    »Was Sie nicht sagen …« Treidler traute seinen Augen nicht, als er sie seelenruhig dort sitzen sah.
    »Übrigens trage ich immer eines bei mir.« Edda kramte in ihrer

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