Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
Vom Netzwerk:
einige der Männer im Gelände um das Haus. Auf ihrem Rücken prangten handtellergroße gelbe Buchstaben, die ihre Zugehörigkeit zum SEK verkündeten. Sekunden später konnte Treidler nur noch einen Schützen ausmachen. Der Rest der Männer schien auf den ersten Blick unbewaffnet, führte sicherlich aber Pistolen mit sich. Ein Beamter trug einen leichten Rammbock auf dem Rücken, ein anderer eine Aluminiumleiter. Niemand sagte ein Wort. Nur ihre leisen Schritte waren auf dem Asphalt zu hören.
    Plötzlich zerriss ein Schuss die Luft. Der Knall klang viel dumpfer als zuvor. Keiner der Männer reagierte. Offenbar war der Schuss im Haus abgefeuert worden. Mit einer schrecklichen Vorahnung schaute Treidler zu Edda. Unendlich traurige Augen erwiderten seinen Blick. Jedes Wort war unnötig. Beide wussten, was geschehen war: Gerlinde Felber hatte sich selbst gerichtet.
    »He, Treidler«, vernahm er da eine Stimme, auf deren Klang er liebend gern verzichtet hätte. Treidler blinzelte in die Sonne. Breitbeinig, in Anzug und Krawatte stand Winkler vor ihm. Selbst mit der verbundenen Nase und dem geschwollenen Auge wirkte er herablassend. »Petersen hat mich zum Aufräumen hierhergeschickt.«
    »Aufräumen?« Treidler glaubte, sich verhört zu haben. Ruckartig stand er auf.
    Sofort wich Winkler einen Schritt zurück.
    »Geh mir bloß aus der Sonne, du Arschloch.« Er wandte sich an Edda und streckte ihr die Hand entgegen. »Kommen Sie, Frau Broghammer. Ich fahre Sie nach Hause.«
    Inzwischen hatte sich halb Florheim hinter der Absperrung vor Gerlinde Felbers Haus versammelt. Er entdeckte Elvira Flaig und ihren Mann, der noch immer das grün-weiß karierte Flanellhemd trug wie bei der Befragung seines Sohnes. Neben ihm stand der Handwerker aus dem »Löwen«, der offensichtlich seinen Rohrbruch repariert und genügend Zeit zum Gaffen hatte.
    Treidler bahnte für sich und Edda einen Weg durch die Menschenmenge. Ohne sich nochmals umzudrehen, erreichten sie seinen Mercedes vor dem Friedhof. Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er Eddas Geschichte Glauben schenken konnte. Ihre Demenz war schon weit vorgeschritten. Doch er verwarf die Zweifel sofort wieder. Die Angaben waren zu präzise, als dass sie sich das alles ausgedacht haben könnte.
    Nach einer schweigsamen Fahrt stoppte Treidler vor dem Holzhäuschen mit den weinroten Fensterläden. Er ließ den Motor laufen, stieg aus und begleitete sie bis zur Tür.
    Er hatte keine Ahnung, was er ihr zum Abschied sagen sollte. »Und wie werden Sie Ihren Abend verbringen?«, fragte er schließlich.
    »Mein Mann und ich spielen Offiziersskat. Das machen wir freitagabends immer.« Sie lächelte ihn höflich an.
    »Dann wünsche ich viel Spaß dabei«, sagte er schnell. »Ich muss jetzt zurück nach Rottweil.«
    »Frohe Weihnachten, Herr Kommissar.« Edda strahlte.
    »Ja – Ihnen auch, Frau Broghammer«, erwiderte Treidler mit einem gezwungenen Lächeln und schaute ihr nach, bis sich die Tür hinter ihr schloss. Ein wenig beneidete er die alte Frau um die Scheinwelt, die sie sich geschaffen hatte. Vermutlich spürte sie nicht einmal, dass es da niemanden mehr gab in ihrem Leben. Ihr Weihnachtsfest würde einfacher werden als das seine.
    Auf der Rückfahrt zur Polizeidirektion passierte Treidler die Unfallstelle vom Vortag. Das kurze Gespräch mit dem Sanitäter kam ihm in den Sinn, der behauptete, dass es nur einen Händler im Umkreis gab, der Gasflaschen auffüllte. Es konnte nicht schaden, ihn zu besuchen, zumal er kein Interesse verspürte, den Nachmittag über mit Melchior ein Büro zu teilen.
    Der Firmenname fiel ihm nicht mehr ein. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass der Mann das Wort »Saline« benutzt hatte. Das sollte reichen. Die Saline bezeichnete ein kleineres Industriegebiet im Süden Rottweils. Und dort würde er das Unternehmen schon finden.
    Der gesuchte Betrieb entpuppte sich als eine schmuddelige Tankstelle mit angeschlossenem Gasverkauf. An den beiden Zapfsäulen staute sich eine Handvoll Fahrzeuge, die vor den Weihnachtsfeiertagen noch tanken wollten. Nach einem Blick auf die Tankuhr stellte Treidler fest, dass auch sein Benzin nicht mehr weit reichen würde. Doch in Anbetracht der beiden Fahrzeugschlangen verzichtete er darauf.
    Im Gegensatz zur Tankstelle war das Zentrum für technische Gase nebenan an diesem Nachmittag wenig besucht, und so konnte Treidler direkt vor der Eingangstür parken. Links vom Gebäude stand eine niedrige, aus rostigen

Weitere Kostenlose Bücher