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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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recht keine Lösung, die Pläne gegen Lisa einzutauschen.«
    »Es geht um ein Menschenleben!« schrie Dahl und wollte zu Sybilla stürzen. Kapitän Selbach hielt ihn fest wie einen ausbrechenden Hund. Er faßte den Schiffsarzt am Kragen seiner Uniform.
    »Es geht um Millionen Menschenleben«, sagte Sybilla kalt. »Das Leben Lisas ist dabei das Unwichtigste. Die Erfindung Dr. Hergartens muß in die USA gebracht werden, ganz gleich, wie. Sie kennen jetzt alle seine Bedeutung. Der Plan, die Gegner abzulenken, mißlang. Einige Agenten blieben auf der Strecke. Bis New York sind es noch zweieinhalb Tage und Nächte. Diese kurze Zeit muß auch noch durchgehalten werden! Es gibt keine andere Wahl.«
    »Ich lasse das nicht zu!« brüllte Dahl. »Ich lasse Lisa nicht mit offenen Augen abschlachten! Hergarten, sagen Sie doch etwas! Sie ist ja schließlich noch Ihre Frau! Sie haben sie einmal geliebt! Sie können sie doch nicht einfach wie ein Stück Vieh auf den Schlachtbock legen!«
    »Es gibt da eine große Parallele.« Sybillas Stimme war völlig ruhig. Es war fast ein Dozieren. »Im Spanischen Bürgerkrieg, als die Roten gegen die Truppen Francos kämpften, bestürmten die Kommunisten auch die Festung Alkazar. Sie wurde mit schwachen Kräften von den Nationalspaniern gehalten. Es gelang den Roten, den Sohn des Generals, der den Alkazar verteidigte, zu fangen. Sie ließen ihn über ein Telefon mit seinem Vater sprechen: Sohn gegen die Festung. Und was sagte der General: ›Mein Sohn, leb wohl. Das Vaterland wird dich nie vergessen!‹ Und der Sohn wurde erschossen, aber der Alkazar nie erobert. Damit begann die Niederlage der Roten. Man muß ab und zu schreckliche Entscheidungen fällen, wenn es um Größeres geht.«
    »Worum geht es denn hier?« schrie Dr. Dahl. Er wurde noch immer von Kapitän Selbach wie ein Hund festgehalten. »Bleiben Sie mir vom Leib mit Ihren Heldenmärchen! Vom Vater, der seinem Volk den Sohn opfert! Wo ist da der gesunde Menschenverstand? Soll ich ein Held sein? Wer dankt es mir? Die Nachwelt? Ich pfeife auf sie … ich lebe mein Leben, und es ist kurz genug! Nein, nein … machen Sie etwas anderes, Dr. Hergarten. Holen Sie Ihre Tasche, stellen Sie sich vor allen Passagieren an die Reling und werfen Sie das Drecksding ins Meer! Zu den Fischen mit dem Elektronium. Und dann kehren Sie nach Frankfurt zurück und ernähren sich mit Dingen, an denen nicht das Leben von Nationen hängt. Das wäre heldenhaft! Das wäre eine Tat, für die die Nachwelt Ihnen danken würde. Das wäre wert, den Nobelpreis zu bekommen. Für etwas, das man selbst vernichtete, um die Menschheit zu retten! Dann haben sie mehr getan als alle Preisträger seit 1901. Aber dazu gehört der Mut, von allen Ministern für verrückt erklärt zu werden. Wäre ich Sie, ich täte es! Mir ist Lisa mehr wert als aller Ruhm, als alle Millionen, als alle Revolutionen.«
    Er hielt erschöpft inne, befreite sich aus dem Griff des Kapitäns und sank auf seinen Stuhl. Dann fiel sein Kopf auf die Tischplatte. Dr. Dahl war am Ende seiner Kraft.
    Die Durchsuchung des Schiffes brachte das Ergebnis, das man erwartet hatte: Nichts. Kapitän Selbach blies die Aktion ab. »Um ein Schiff ganz zu durchsuchen, muß es auf das Trockendock, und selbst dann sind fünfzig Arbeiter nötig«, sagte er resignierend. »Vielleicht vermag die Polizei mehr? Ich kann nichts mehr tun.«
    In den Decks erzählten die Stewards freudestrahlend, der gesuchte kleine Junge sei gefunden. Er sei zum Maschinenraum geklettert. Bei den großen Turbinen habe er gehockt, als erlebe er ein Märchen.
    Unterdessen fanden in der Kabine Hergartens immer neue Besprechungen statt. Die Forderung des Unbekannten wurde aktuell. Die Nacht kam, die ›Ozeanic‹ zog hellerleuchtet ihren Kurs nach Amerika. In den verschiedenen Restaurants fanden wieder Veranstaltungen statt: in der Ersten Klasse ein Tanzturnier-Abend um das Blaue Band des Atlantik, im Bordkino eine große Varieté-Show, im Restaurant Helgoland ein ›Ball um die Jahrhundertwende‹. Das Schiff schallte wider von Musik, alle Kapellen spielten, es wurde getanzt und gelacht, geküßt und geliebt. Was gehen tausend Passagiere die Sorgen einer Handvoll Menschen an? Nur noch diese und zwei weitere Nächte, und man war in New York. Das graue Leben ging dann weiter, die Hetze nach dem Dollar, der Ärger im Beruf, der Alltag mit seinen Sogen, dem man hier, auf dem schwimmenden Palast entronnen war.
    Der Oberzahlmeister berichtete über die

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