Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Maßnahmen, die man bisher getroffen hatte.
»Wir haben alle Toilettenfrauen ausgewechselt«, sagte er. »Sie sind ersetzt durch junge, kräftige Küchenmädchen. Außerdem warten in einem Raum zwischen Damen- und Herrentoilette fünf ausgesucht starke Matrosen auf einen Pfiff oder einen Schrei, falls etwas in Kabine 1 geschehen sollte.«
Harry Linder, der Bord-Detektiv, der dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen war und deshalb als völlig unnütz galt, hatte einen Gedanken, der eigentlich schon längst hätte gedacht werden müssen: »Wenn die Papiere auf der Damentoilette niedergelegt werden sollen, muß die Kontaktperson also eine Frau sein. Ein Mann kann ja nicht hereinkommen. Wie stellen Sie es sich vor, jede Dame, die die Toilette benützt, zu kontrollieren? Einen Mann kann man abtasten, aber wollen Sie jeder Dame unter den Rock fassen? Wir haben die großen Feste an Bord, die Toilette wird also sehr frequentiert werden. Man wird raus- und reingehen, sie werden Schlange stehen. Wie stellen Sie sich da eine Überwachung technisch vor? Unser großer Unbekannter hat das alles einkalkuliert: ein heller Kopf! Es wird ja eine Katastrophe geben, wenn jede toilettengehende Dame untersucht wird, sobald sie an der Strippe gezogen hat. Das ist ganz unmöglich.«
»Unsere neuen Toilettenfrauen werden die Kabine 1 nach jeder Benutzung betreten, angeblich, um die Brille abzuputzen. Da sehen sie ja, ob das Kuvert weg ist. Wenn ja, haben wir die Kontaktperson.« Der Oberzahlmeister blickte in nachdenkliche Gesichter. Was Harry Linder sagte, war gar nicht so dumm. Bisher hatte man immer gesagt: Der große Unbekannte. Nun kam eine die ins Spiel.
Das Rätsel wurde noch größer.
War es ein Paar? War es eine geschickte Verkleidung? War es nur eine Frau? Es schien undenkbar, daß eine Frau die Kraft besessen hatte, dem Steward Budde so brutal den Schädel einzuschlagen.
Oben, im Hamburg-Salon, sah Graf Sepkinow nur unlustig auf das Tanzturnier. Das Fehlen des Kapitäns und des I. Offiziers, das Fernbleiben Dahls, Sybillas und Hergartens machten ihn unruhig. Shura Aitmanow hielt sich für Sonderaufgaben in seiner Kabine auf, ein anderer der Lakaien meldete Sepkinow, daß sich alle in der Kabine Hergartens versammelt hatten. Sam Hopkins, den Sepkinow nach den sich überstürzenden Ereignissen mißtrauisch beobachtete, war der einzige, der in Stimmung kam und in den Turnierpausen Tänze eigener Prägung auf das Parkett donnerte. Sir Surtess und Lady Anne tanzten hoheitsvoll ihren Walzer, so wie man ihn unter den Augen der Königin tanzen würde. Frau Michaelsen hatte noch ihre Depressionen und verließ ihre Kabine nicht mehr. »Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher«, klagte sie vor dem Obersteward. »O nein, ich lasse mich erst in New York wieder an Deck rollen, wer weiß, was noch alles auf diesem schrecklichen Schiff passiert.«
Ihre Pflegerin Käthe Peine, dem blassen, stillen Mädchen, aber gab sie frei für den ›Ball um die Jahrhundertwende‹. Sie lieh ihr eine Federboa und ein langes Kleid. »Junge Menschen sollen sich amüsieren«, sagte sie gütig. »Was soll man sich nach einer alten, gelähmten Frau richten? Es muß schon furchtbar genug sein, immer um mich herumzuscharwenzeln. Nein, Kind, gehen Sie tanzen, seien Sie fröhlich.«
»Sie ist wirklich eine nette alte Dame«, sagte der Obersteward zum III. Zahlmeister. »Von allen Luxuspassagieren ist sie mir die liebste.«
Auch Margret Goltz machte wieder mit. Zwar konnte sie nicht tanzen, aber sie erschien in einem verdammt gewagten, dekolletierten Kleid zum Tanzturnier und wurde sofort von den jungen Männern belagert.
»Schlag Mitternacht machen wir was ganz Dummes!« rief sie in die lärmende Runde hinein. »Wir gehen zum Lido-Deck und dort versteigere ich meine Kleider! Der Erlös geht in die Kasse für gefallene Mädchen!« Sie lachte grell, fast hysterisch, und prostete Ulrich Renner zu. Sein Auge war noch blaugelb, aber nicht mehr geschwollen. Er hatte es fleißig mit Alkohol gekühlt und ein Mittel angewandt, mit dem Boxer sich schnell ihre aufgeschlagenen Gesichter heilen. Er hatte sich aus der Küche zwei mürbe, rohe Steaks bringen lassen und sie auf sein Auge gelegt. Warum so etwas wirklich hilft, kann kein Mediziner erklären.
»Was machen wir nun?« fragte Kapitän Selbach, als die Uhr gnadenlos immer weiterrückte. »Geben Sie eine Kopie her?«
Hergarten schwieg. Er griff an sein Hemd, knöpfte es auf, zog an einem Band einen Schlüssel
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