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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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fährt sonst keiner. Wir landen schon nicht im Graben!«
    Trotz seiner Versicherung atmete ich dennoch erleichtert auf, als er schwungvoll vor dem Eingang stoppte. Die Gärtnerei lag außerhalb der kleinen Ortschaft; ich konnte ein paar hundert Meter weiter die niedrigen, grauen Steindächer sehen. Das Verkaufsgebäude wirkte, als hätte sich seit Jahrzehnten niemand mehr darum gekümmert. Der Putz blätterte in großen Stücken ab, die Fenstergitter und die Metallteile des Zauns waren mit dem überzogen, was man beschönigend »Edelrost« nennt, und Dachwurzpolster hatten praktisch die Aufgabe der Wellblechabdeckung übernommen.
    »Das ist ›Purple Passion‹?« Ich konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht unterdrücken. In meiner Vorstellung hatte ich den Schriftzug immer an einem gepflegten Cottage prangen gesehen, mit schmiedeeisernen Toren, weitläufigen Anzuchtquartieren und modernen Glashäusern, die in der Ferne durch die Bäume blitzten.
    »Was hast du erwartet?« Mark wirkte erstaunt.
    Ja, was hatte ich eigentlich erwartet? Er hatte Geldsorgen. Das wusste ich nicht nur wegen unseres Vertrages, sondern auch wegen der Erwähnung, dass seine Eltern ihn eine schöne Stange Geld kosteten. Und Sophia hatte gestern davon gesprochen, dass sie sogar das Gemüse aus dem Hausgarten verkauft hatten, um über die Runden zu kommen. Ich holte tief Luft. »Ich weiß nicht. Aber ich hatte den Betrieb für größer gehalten. Bei deinem Ruf …«
    »Enttäuscht? Warte ab, bis du unsere Mutterpflanzenquartiere gesehen hast. Ich habe jeden Penny, den ich erübrigen konnte, da hineingesteckt.«
    Der winzige Verkaufsraum war leer bis auf die Theke und einen Eimer tiefvioletter Glockenblumen. Sein Büro gleich dahinter war nicht größer. Den Schreibtisch konnte man vor lauter Papier in allen Erscheinungsformen kaum erkennen. Das Telefon balancierte gefährlich weit oben auf einem Stapel aufgeschlagener Aktenordner. Auf zwei Holzstühlen davor häuften sich Packzettel, Lieferscheine und Bestellungen in wildem Durcheinander. Der Luftzug wirbelte die oberen Blätter auf den Boden, wo bereits einige Vorgänger lagen.
    »Wie blickst du bei diesem Chaos noch durch?«, fragte ich entsetzt. Es schien unwahrscheinlich, dass irgendeine Bestellung angesichts dieser Form der Buchführung auch nur ansatzweise ordnungsgemäß abgewickelt werden konnte.
    Mark runzelte bedrückt die Stirn. »Normalerweise kümmert sich Miles darum, aber die letzte Woche war er krank, und ich hatte einfach zu viel anderes zu tun. – Mir graut auch davor.«
    Letzte Woche? Ich sah mich noch einmal um. Hier war mit Sicherheit seit geraumer Zeit nicht für Ordnung gesorgt worden. Seltsam. Warum hatte dieser Miles das alles so schleifen lassen? Er musste doch wissen, dass das Marks Probleme noch vergrößern konnte. Entschlossen fasste ich den Raum ins Auge. »Hast du für den Anfang ein paar saubere Kartons oder Kisten? «
    »Du willst mir helfen?« Mark sah mich überrascht an.
    »Natürlich. Gleich wirst du sehen, wie wertvoll ein Partner mit Erfahrung in Buchführung ist«, sagte ich aufmunternd.
    Unter meiner Anleitung begannen wir die losen Blätter in vier verschiedene Rubriken zu sortieren: Bestellungen, Packzettel, Lieferscheine, Rechnungen. Es dauerte seine Zeit, aber schließlich hatten wir wieder einen Überblick. Als wir alles Erledigte abgeheftet hatten, blieben ein relativ überschaubarer Stapel Bestellungen sowie ein beunruhigender Stapel unkontrollierter Rechnungen übrig. Besorgt musterte ich Letzteren.
    »Ihr müsst unbedingt die Bankauszüge holen und die noch ausstehenden Rechnungen anmahnen. So hohe Außenstände kannst du dir nicht leisten«, sagte ich besorgt, griff nach dem Block neonfarbener Post-it-Sticker und klebte einen auf das oberste Blatt. Dabei fiel mein Blick auf das unter den Papierbergen aufgetauchte Foto eines Mädchens in einem ausgesprochen geschmacklosen Rahmen aus dunkelroten Porzellanrosen. Ihr stark geschminktes Gesicht erinnerte mich vage an jemanden, aber ich konnte es nicht einordnen. Die laszive Haltung ließ jedenfalls keinen Zweifel an der beabsichtigten Wirkung auf den Betrachter. Es war kein Bild, das man auf den Schreibtisch stellte, wenn man zu dem Modell keine besondere Beziehung hatte.
    »Wer ist das?«, fragte ich misstrauisch und zeigte auf diese Supermarktnelke.
    »Wer? – Oh, das ist Jessica. Rosies und Miles’ Tochter.« Er wühlte weiter in der obersten Schublade und schien nicht der Ansicht,

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