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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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»Morgen werden sie hier in Massen herumlungern. Wenn ich nur wüsste, was er fotografieren wollte.« Sie sah sich aufmerksam im Zimmer um. »Ich suche wohl besser meinen alten Schirm. Davor haben sie alle Respekt. – Denkt daran, alle Vorhänge vorzuziehen«, ermahnte sie uns, ehe sie Richtung Küche verschwand.
    Es war ein trauriges Dinner. Jeder versuchte, nicht zu dem leeren Stuhl hinzusehen, auf dem Jonathan gesessen hatte. »Komm, iss mit uns«, schlug Sophia der schniefenden Köchin vor. »Ich bin nicht in Stimmung für Förmlichkeit.«
    Rosie schüttelte vehement den Kopf und schnüffelte in ein rosa geblümtes Taschentuch, das sie aus der Tasche ihrer wild gemusterten Schürze gezogen hatte. »Nein, danke, Mrs. A, mir ist sowieso nicht nach Essen. Ich muss immerzu an den armen Mr. Dunnet denken …« Laut aufschluchzend schlurfte sie in die Küche zurück.
    Auch mir schnürte sich die Kehle zusammen, als ich mich bei den Erdbeeren, die es als Dessert gab, an meinen ersten Abend mit Jonathan erinnerte. Es schien lange, lange her zu sein, in einer anderen Zeit.
    Bedrückt tranken wir unseren Portwein, nachdem Sophia darauf bestanden hatte, dass wir alle einen Schlummertrunk benötigten. »Warme Milch mit Honig wäre zwar besser, aber ich will Rosie nicht mehr als unbedingt nötig beanspruchen«, meinte sie. »Sie wird jetzt bereits zu Gin pur übergegangen sein.« Als sie mein Erstaunen bemerkte, fügte sie hinzu, als sei es die normalste Sache der Welt: »Rosie trinkt immer, wenn sie aufgeregt ist oder traurig. Solange es sich in Grenzen hält, sehe ich darüber hinweg.«
    »Ich hoffe nur, dass sie sich bis morgen wieder gefangen hat«, sagte Mark. »Vielleicht sollte ich besser Miles anrufen, damit er sie abholt. Nicht, dass sie mit dem Fahrrad stürzt …« Er klang besorgt.
    Sophia warf ihm einen scharfen Blick zu. »Hast du Bedenken wegen der Journalistenmeute? – Rosie verabscheut sie noch mehr als ich. Und das will etwas heißen! Sie würde eher mit dem heißen Waffeleisen auf sie losgehen, als mit ihnen zu sprechen.« Müde zog sie das voluminöse Schultertuch zurecht und erhob sich. »Ihr solltet versuchen, so viel Schlaf zu bekommen wie möglich. Wir werden alle unsere Kräfte brauchen.«
    Wir trennten uns vor meiner Zimmertür. »Sophia hat Recht«, flüsterte Mark in mein Haar. »Ich würde dich gerne die ganze Nacht im Arm halten, aber wir brauchen beide unseren Schlaf. Du siehst schon ganz übernächtigt aus.« Ich wollte mich an ihn klammern, aber er löste sich liebevoll, hauchte mir einen Kuss auf die Nasenspitze und schubste mich sanft in mein Zimmer. »Bis morgen.«
    Ich war tatsächlich müde. Aber der Schlaf ließ auf sich warten. Ich dämmerte in einer Art Halbschlaf, der von Erinnerungsbruchstücken und Bildern belebt wurde. Immer wieder schrak ich hoch, weil ich meinte, Jonathans Zimmertür gehört zu haben.
    Als ich von einem beharrlichen Klopfen an meiner Tür geweckt wurde, fühlte ich mich so benommen, als sei ich gerade erst eingeschlafen.
    »Kommst du frühstücken?« Sophia klang dringlich, und ich beeilte mich so gut wie möglich.
    Unten im Esszimmer stand Mark mit finster gerunzelten Brauen vor den verhängten Fenstern und spähte durch einen Spalt nach draußen. Der Schlossherr einer belagerten Festung vor einer Schießscharte.
    Sophia saß am Tisch, vor sich eine aufgeschlagen Zeitung, deren Aufmachung sie als Blatt der Regenbogenpresse auswies. »Das ist übler, als ich befürchtet hatte«, sagte sie.
    Mark drehte sich um, sobald er mich kommen hörte, und lächelte mir aufmunternd zu. »Wie fühlst du dich heute Morgen?«
    »Mein Kopf fühlt sich an wie ein alter Luftballon, und ich habe immer noch das Gefühl zu träumen«, sagte ich und ließ mich auf den Stuhl neben Sophia sinken. »Was ist übler, als du befürchtet hattest?«
    Wortlos schob sie mir die Zeitung zu.
    »Noch nicht, lass sie doch erst in Ruhe frühstücken«, protestierte Mark, aber es war zu spät.
    Trieb diese Frau ihn in den Tod?
    stand in dicker, schwarzer Balkenschrift über einem unscharfen Foto, auf dem ich ziemlich deutlich im Profil zu erkennen war. Von Mark war nicht mehr als sein Arm und sein Haarschopf zu sehen, aber dafür ließ der reißerische Text keinen Zweifel an seiner Identität.
    Gestern Nachmittag starb der bekannte Fernsehkoch und Buchautor Jonathan Dunnet auf einer idyllischen Landstraße in Somerset. Er und Michael P., sein Studiokoch, wurden von einem Schwerlaster zerfetzt. Aus

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