Schwarzer Rauch
Menschen als Lamien bezeichnet, in der römischen Kultur als Strigae. Etwas später wurde in Osteuropa der Begriff Vampir geprägt.«
Ich las den Text noch einmal. Helena war die Mutter der Vampire?
»Meinst du, es gibt immer noch welche?«, fragte ich Darian. Es könnte Darian oder mich treffen, vielleicht auch Mike oder ... Mir kam sofort Sina in den Sinn, der Neid, der ihre Gedanken durchzog. Konnte Missgunst ein Auslöser dafür sein? Wollte sie nicht andere Fähigkeiten, mehr Macht? Wäre ihr jedes Mittel recht, um an ihr Ziel zu kommen?
»Wir müssen das Ganze unbedingt für uns behalten«, flüsterte ich Darian zu. »Ich möchte nicht, dass Sina oder Mike auf dumme Ideen kommen.«
»Da liegst du wahrscheinlich richtig. Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, dass Mike in der Lage wäre, ein so kompliziertes Ritual alleine zu vollziehen … Aber mit Sinas Hilfe und ihrem Ansporn? Wer weiß.« Er machte eine kurze Pause, überlegte und sah mich dann fragend an: »Was willst du jetzt unternehmen?«
»Zu allererst packe ich das Buch ein. Es scheint viel Interessantes drin zu stehen. Dann werde ich mich auf das Gespräch mit Selena und den anderen Mentoren vorbereiten. Sie sollen sich ihrer Entscheidung sicher sein. Ich werde auch gleich klar stellen, dass ich mich nicht auf einen Machtkampf der Kräfte einlassen werde. Soll von mir aus ein anderer Sprecher gewählt werden.« Eine laute Stimme unterbrach mich. Sie rief nach mir. »Es ist soweit. Sie rufen mich.«
»Wer? Ich höre nichts.«
»Ich höre sie in meinen Gedanken, auf telepathischem Wege. Nimmst du bitte das Grimoire? Ich möchte nicht, dass sie es entdecken und wieder wegnehmen. Wir treffen uns später wieder.« Ich drückte ihm das Buch in die Hand und gab ihm einen Kuss. »Danke.«
»Für dich immer.« Er nahm mich in den Arm und drückte mich kurz. »Lass dich von denen nicht unterkriegen.«
»Du kennst mich doch.« Während ich den langen Gang der Bibliothek entlanglief, sah ich mehrmals zurück. Darians Lächeln brachte mein Herz immer noch zum Klopfen. Ich hatte noch nie ein solch starkes Bedürfnis verspürt, bei jemandem zu bleiben. Ich brauchte Darian wie die Luft zum Atmen. Jede Trennung fühlte sich an, als würde ein Teil von meinem Inneren herausgerissen. Wie sollte ich die Tage in London nur ohne ihn überleben?
Auf dem Weg zu Selenas Büro kreisten all meine Gedanken um Darian. Erst als ich an die Tür klopfte, fiel mir auf, dass ich mir keinen Plan zurechtgelegt hatte und nun unvorbereitet zu diesem Gespräch ging. Ich setzte mich auf den freien Stuhl zwischen Alea und Malte. Nach ein paar Minuten, die sich für mich wie Stunden anfühlten, brach Selena das Schweigen:
»Sicherlich weißt du bereits, dass nächste Woche die Wahl des diesjährigen Debütanten stattfindet. Dir ist auch bekannt, dass diesen Jahrgangssprechern eine große Zukunft vorherbestimmt ist. Sie erhalten einen sofortigen Sitz im Rat und bekommen darüber hinaus später meist hohe Positionen in der Gemeinschaft. Sie werden mit vielen Ämtern und Privilegien ausgestattet. Oftmals folgt mit der Wahl auch eine Erweiterung der Gaben.«
Ich nickte leicht eingeschüchtert.
»Dann wirst du dich sicherlich freuen, dass wir«, sie wedelte mit der Hand und schloss so den ganzen Kreis ein, »uns dazu entschlossen haben, dich als die Abgesandte unseres Hauses zu der Wahl nach London zu schicken. Wenn du einverstanden bist, musst du uns nur noch mitteilen, wer dein Begleiter auf dieser Reise sein soll.«
Noch ehe ich die Freude über diese Nachricht vorspielen konnte, hüpfte ich innerlich vor Glück. Darian würde mich begleiten können?
»Es ist üblich, dass der Mentor den Neuling auf diesem Weg begleitet, um ihn bei der Wahl zu unterstützen«, antwortete Selena auf meine Gedanken.
Die positive Nachricht hat mich die Abschottung meiner Gedanken vergessen lassen. Mich störte jedoch weniger das Gedankenlesen als die Antwort von Selena. War es nicht meine Entscheidung?
»Dir steht selbstverständlich jeder des Hauses als Begleitung zur Verfügung.« Sie sah mich missbilligend an. »Sobald du dich entschieden hast, gib uns bitte Bescheid. Wenn du keine weiteren Fragen hast, darfst du gehen.«
Ich hatte mich bereits entschieden, was ich Selena auch sofort mitteilte. Jetzt kam es nur noch auf Darian an.
Während ich mich auf den Weg zu ihm machte, um ihm die frohe Botschaft zu verkünden, schlichen sich Bedenken in meine Euphorie. Was, wenn er mich nicht
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