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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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die blutüberströmten Körper, die im Durchgang zum Hinterraum lagen. »O mein Gott!«, sagte er immer wieder. »O mein Gott!«
    Der Hinterraum sah aus wie nach einem Sprengstoffanschlag. Der Tisch, an dem Fabienne mit Hilde Gestecke band, war zusammengebrochen. Auf dem Boden hatten sich Blutlachen gebildet, die sich mit dem Wasser aus zerborstenen Vasen mischten. Glas- und Tonscherben bedeckten die Körper von drei der vier Skinheads, die reglos dalagen. Aus dem Bauch des Jungen namens Bert ragte der Griff eines Messers. Seine Augen waren aufgerissen und starrten leblos an die Decke. Im Tod, mit einem Ausdruck der Verblüffung im Gesicht, sah er schrecklich jung aus.
    An der Wand stand Jonas Dinkel. Er hatte die Arme erhoben, um sich zu ergeben, und zitterte am ganzen Körper.
    Drei Türken lagen schwerverletzt im Durchgang am Boden. Einer von ihnen versuchte stöhnend, sich aufzurichten. Dort, wo sein linkes Auge gewesen war, klaffte nur noch ein Loch.
    Fabienne wurde übel. Sie rannte aus dem Laden, brach auf dem Bürgersteig zusammen und übergab sich.
    Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie einen der Polizisten Jonas Dinkel, der wie durch ein Wunder unverletzt geblieben war, abführen. »Wir waren es doch nicht!«, schluchzte er immer |333| wieder. »Das mit dem Brand, das waren wir doch gar nicht!«
    Sie setzte sich hin und barg das Gesicht in den blutigen Händen. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft zu weinen.

|334| 66.
    Lennard fuhr in die Tiefgarage seines Wohnblocks und betrat sein Apartment. Instinktiv suchte er nach Anzeichen dafür, dass jemand hier gewesen war, fand jedoch nichts. Er packte ein paar Sachen in eine Reisetasche. Dann ging er zu Fabiennes Wohnung, um ihr zu sagen, dass er ein paar Tage verreisen müsse. Unterwegs fiel ihm ein, dass sie ja um diese Zeit arbeitete, also trat er auf die Straße, um sie im Blumenladen zu besuchen.
    Sie saß auf dem Bürgersteig, die Arme auf die Knie gestützt, den Kopf in den Händen, und weinte. Ein dünnes Blutrinnsal lief an ihrem linken Unterarm herab. Der Laden lag in Trümmern. Sanitäter trugen gerade einen schwerverletzten jungen Mann in einen der Krankenwagen, die um den Laden herumstanden. Es sah aus wie nach einem Terroranschlag.
    Er rannte zu ihr. »Fabienne! Was ist passiert?«
    Sie rappelte sich auf und ließ sich von ihm in den Arm nehmen. Sie weinte einen Moment, während er ihr beruhigend über den Rücken strich. Geduldig wartete er, bis sie in der Lage war zu erzählen.
    Er warf einen Blick auf die andere Straßenseite, zu der verkohlten Fassade des Wohnhauses. Nun hatte also der Wahnsinn auch ihre Nachbarschaft erreicht. »Komm«, sagte er. »Ich bring dich nach Hause.«
    Fabienne schüttelte den Kopf. »Ich muss noch auf Hilde warten. Meine Chefin. Sie ist beim Großmarkt. Sie … sie wird einen Schock kriegen, wenn sie das hier sieht.« Sie begann, wieder zu weinen. »Ich … ich habe versucht, es zu verhindern, aber …«
    |335| »Entschuldigen Sie, sind Sie die Verkäuferin hier?«, fragte ein junger Polizist.
    Fabienne nickte. Sie löste sich aus Lennards Armen und erzählte ihm noch einmal, was geschehen war. Der Polizist notierte sich Stichworte. Er nahm ihren Namen und ihre Adresse auf und bat sie, am nächsten Tag aufs Revier zu kommen, wo er ihre Aussage noch einmal detaillierter aufnehmen wollte.
    Ein Aufschrei des Entsetzens ließ sie herumfahren. Aus einem Lieferwagen mit der Aufschrift »Blumen Gerstner« war Fabiennes Chefin ausgestiegen. Sie rannte zu ihrem Laden und blickte ungläubig auf das Chaos.
    Fabienne ging zu ihr. »Hilde, es tut mir so leid …«
    Die Ladeninhaberin drehte sich zu ihr um, Tränen in den Augen. »Fabienne! Bist du verletzt?«
    »Ich bin okay.«
    »Oh, meine arme Fabienne! Was ist nur passiert?«
    Lennard kam sich ein bisschen überflüssig vor, als sie zum dritten Mal berichtete, was sich zugetragen hatte. Er wusste, dass es albern war, aber er machte sich Vorwürfe, nicht eher da gewesen zu sein. Er hätte es vielleicht verhindern können, wäre er nur eine halbe Stunde eher in Lüneburg losgefahren. Stattdessen hatte er ausgiebig mit Eva gefrühstückt …
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Fabiennes Chefin, die erstaunlich gefasst wirkte. »Gegen Vandalismus bin ich versichert. Wir richten den Laden wieder her. Wirst sehen – schöner als je zuvor! Aber jetzt geh erst mal nach Hause und ruh dich aus.« Sie lächelte in Lennards Richtung. »Wenigstens bist du jetzt nicht allein!«
    Fabienne

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