Schwarzer Regen
vorher mach dich ein bisschen zurecht, du siehst ja vollkommen verheult aus.«
Eva stand langsam auf. Tränen glitzerten in ihren smaragdgrünen Augen, als sie ihn ansah. »Ich … ich kann nicht fassen, dass du mir nicht helfen willst!«
»Eva, Baby, versteh doch …« Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie entzog sich ihm. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum.
»Eva, warte doch …«, rief Pawlow ihr nach. Lennard hörte, wie die Wohnungstür zugeworfen wurde.
|295| 59.
»Bitte, Schorsch, du
musst
wieder auftreten! Und zwar bald!« Eckart sah ihn sorgenvoll an. Er war nicht nur Georg Rohlfs’ Agent, der dessen Karriere als Schlagerstar seit vielen Jahren begleitete und förderte. Er war auch sein Freund, und er meinte es nur gut.
Rohlfs nippte an seinem Trollinger, einem 2007er Hessigheimer Wurmberg aus einem kleinen Weingut am Neckar. Es war einer der besten Weine auf der Karte des kleinen Weinlokals in der Stuttgarter Leonhardstraße, das Rohlfs schon seit Jahren regelmäßig besuchte. Der kleine Hofgarten war vielleicht weniger idyllisch als andere Bier- und Weingärten, aber die Küche war gut und die Weinkarte noch besser. Dennoch war das Lokal gottlob nie von der Schickimicki-Szene entdeckt worden, so dass man hier noch in Ruhe einen guten Wein trinken und plaudern konnte.
Heute allerdings war Rohlfs nicht nach Plaudern zumute, und nach Singen noch weniger. »Das ist vorbei, Eckart. Guck doch mal, wie ich aussehe!« Er wies auf die Narben in seinem Gesicht, die immer noch empfindlich waren.
»Das kann man doch wegmachen lassen.«
»Aber ich will es nicht wegmachen lassen. Ich werde niemals zu einem Schönheitschirurgen gehen. Das habe ich mir schon vor Jahren geschworen. Mein Gesicht spiegelt wieder, was ich erlebt habe.«
»Umso besser. Du bist eben ehrlich. Du zeigst, was du bist. Die Leute werden das lieben!«
»Kannst du mal aufhören, alles immer nur unter dem Gesichtspunkt der Vermarktbarkeit …«
|296| Ein Satz am Nebentisch ließ Rohlfs herumfahren. »Seht mal die beiden Schwuchteln da drüben! Süß, nicht?« Einer der drei Typen, die dort beim Bier saßen, zeigte auf einen Tisch mit zwei jungen, gutaussehenden Männern auf der anderen Seite des Innenhofes. Der eine hatte Tränen in den Augen, der andere hielt seine Hand.
Die anderen beiden lachten. »Ehrlich gesagt, ich muss kotzen, wenn ich so was sehe«, sagte einer.
»Wollen wir den beiden Turteltäubchen nicht mal einen Besuch abstatten?«
»Na klar.« Die drei Männer standen auf, gingen zu dem jungen Pärchen und bauten sich neben dem Tisch auf. »Na, ihr beiden Schwanzlutscher?«, sagte der Wortführer. Unter seinem hautengen schwarzen T-Shirt zeichneten sich Muskelpakete ab.
Rohlfs beobachtete, wie sich die Leute an den anderen Tischen wegdrehten. Er stellte das Glas ab und erhob sich. »Mach keinen Scheiß, Schorsch!«, sagte Eckart. Rohlfs beachtete ihn nicht.
Das schwule Pärchen bemühte sich, die drei Männer zu ignorieren, aber das war natürlich nicht drin. Der Wortführer nahm die Rotweinflasche und goss den Inhalt in die beiden noch halbvollen Gläser, bis diese überliefen und die Tischdecke sich blutrot färbte. »Nun trinkt mal schön die Flasche leer. Dann habt ihr was, was ihr euch nachher hinten reinschieben könnt!« Die drei lachten dröhnend.
Rohlfs, der inzwischen ein Stück näher gekommen war, sah, wie sich der junge Mann mit den Tränen in den Augen versteifte. Sein Mund wurde zu einem schmalen Schlitz. Sein Freund drehte sich zu den Streitsuchenden um. »Lasst uns bitte in Ruhe, ja? Wir haben euch nichts getan!«
»Und ob ihr uns was getan habt!«, rief deren Anführer. »Ihr kotzt uns nämlich an! Dies ist ein anständiges deutsches Lokal! Schwanzlutscher sind hier nicht geduldet!«
|297| »Ach ja?«, sagte der Typ, der geweint hatte. »Wenn das ein anständiges deutsches Lokal ist, wer hat denn dann euch drei Hirnamputierte hier reingelassen?«
Auf eine solche Provokation hatte der Wortführer nur gewartet. Er holte zum Schlag aus.
Rohlfs packte ihn mit der linken Hand an der Schulter und riss ihn herum. Ehe er begriff, wer ihn da belästigte, hatte er sich eine gestreckte Gerade eingefangen, die ihn quer durch den kopfsteingepflasterten Innenhof taumeln ließ.
Die beiden anderen Männer sahen den Schlagersänger überrascht an. »He, was …«, rief einer von ihnen. Im nächsten Moment saß er auf dem Boden und hielt sich die blutende Nase.
Der Dritte zog ein Klappmesser aus
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