Schwarzer Regen
waren. Früher hatte man
zweifellos Gurkensaft bei Verbrennungen benutzt, als Hausmittel sozusagen. Aber
jeder, bei dem mehr als ein Drittel der Körperoberfläche verbrannt ist, stirbt,
heißt es, wenn man nicht die Körperflüssigkeit ständig durch Ringersche Lösung,
Traubenzucker, Kochsalzlösung oder ähnliches ersetzt.
Oder ein anderer Vorfall — es war der 13.
August, erinnere ich mich — : Mein Mann fing an, unter
unerträglichen Schmerzen im rechten Ohr zu leiden. Am nächsten Nachmittag kam
ein Leutnant der Reserve, Kutsubara, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt vom
Rotkreuz-Krankenhaus in Shobara. Er hatte eine ausgesprochen arrogante Art und
überhebliche Redeweise und untersuchte Hiroshis Ohr sehr unsanft. Als er die
Gaze vom Ohrläppchen abzog und die Watte abnahm, quoll eine dicke, ölige
Flüssigkeit aus dem Gehörgang, und die ganze verschorfte Fläche bis zum
Ohreingang wimmelte von Maden — ungefähr zweihundert, jede etwa einen
Millimeter lang. Auf Weisung des Leutnants wusch ich die Maden vom Ohrläppchen
in eine Schale. Dann holte der Leutnant die Maden aus dem Innern des Ohres
heraus.
Durch diese Behandlung war die Ursache der
Trommelfellreizung behoben, und die Ohrenschmerzen hörten auf. Auch das Fieber
schien herunterzugehen, und ich träufelte Hiroshi ein paar Tropfen Sake, den
ich für ihn mitgebracht hatte, in den Mund. Das Ohrläppchen hat er damals
eingebüßt, von den Maden zerfressen, und er klagt auch immer noch über
Ohrensausen. Aber trotzdem war er Leutnant Kutsubara so dankbar, weil er ihn
von den Maden befreit hatte, daß ich dem Leutnant eine Flasche Sake bringen
sollte als Zeichen seiner Dankbarkeit. Ich bat meine Tante in Shobara, mir eine
Flasche abzulassen, und nahm sie, in ein Tuch gewickelt, mit. Als ich sie ihm
gab, stellte er die Flasche einfach in einen Schrank und schmiß das Tuch auf
die Erde. „Da, das brauche ich nicht“, sagte er, „das können Sie wieder
mitnehmen!“ Als ich zurückkam, erzählte ich Hiroshi, was vorgefallen war. Er
schob es auf den Krieg. So etwas bringe der Krieg hervor, sagte er — macht die
Menschen schlecht; soviel stand fest, der Krieg hatte niemandem gutgetan.
Solange ich mich in Shobara aufhielt, schlief
ich bei meiner Tante und ging tagsüber zum Lazarett. Mein Bruder, Dr. Hosokawa,
blieb nur eine Nacht bei meiner Tante und nahm dann die Krankenschwester und
unsere Tochter mit nach Yuda zurück. Am 15. August, dem Tag, an dem der Krieg
zu Ende war, bekam mein Mann plötzlich hohes Fieber und stand an der Schwelle
des Todes, aber am nächsten Tag begann sein Fieber langsam wieder zu sinken. Er
war furchtbar geschwächt und die Behandlung mehr als dürftig, deshalb
beschlossen wir, ihn in die Hosokawa-Klinik zu bringen. Am 20. mieteten wir
einen Holzgaslastwagen zu Schwarzmarktpreisen, um ihn dort hinzuschaffen. (Zu
diesem Zeitpunkt war es den Patienten erlaubt zu gehen, wohin sie wollten.) Er
und ich setzten uns vorne hin und fuhren nach Fuchu, neben dem Fahrer sitzend,
der ein Tuch vor Mund und Nase gebunden hatte wegen des Geruchs, den die
Bombenopfer ausströmten. Mein Mann überstand die Fahrt besser als ich — ich war
vollkommen fertig!
Einen Tag nach seiner Einlieferung in die Klinik
in Fuchu zeigte Hiroshi Symptome der Atomkrankheit. Hätte er nur einen Tag länger
in Shobara zugebracht, wäre er sicher nicht mehr lebend d ort herausgekommen. Es lag nicht daran, daß die
Anspannung jetzt, zu Hause, nachließ oder daß er keine Willenskraft mehr
aufgebracht hätte. Es mußte wohl eine bestimmte Zeit vergehen, nachdem man der
Bombe ausgesetzt war, bis die Krankheit einen richtig packte, und dieser
Zeitpunkt war jetzt gekommen. Herr Nagashima aus dem gleichen Zimmer in
Shobara, zum Beispiel, hatte weit weniger schwere Verletzungen als Hiroshi, und
trotzdem starb er schon an dem Tag, an dem wir nach Fuchu fuhren.
In der Klinik in Fuchu blieben wir nur ein paar
Tage und Nächte, dann zogen wir ins Haus meines Bruders in Yuda; trotzdem roch
das Zimmer in der Klinik, wo mein Mann gelegen hatte, so fürchterlich, daß sie
es über zehn Tage lüften mußten.
Im Dorf Yuda gab es eine Pfirsichplantage mit
einer für den Ort sehr bekannten Sorte. Davon kauften wir zweimal achtzig
Pfund, und mein Mann aß die hundertsechzig Pfund auf. Seine Lippen und der
Gaumen waren völlig verbrannt und die ganze Mundhöhle entzündet, so daß er nur
flüssige Nahrung zu sich nehmen konnte. Ich mußte die Pfirsiche auf einer
Meerrettichreibe
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