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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Moskitonetz und den Sonnenschirm
und versenkte beides. Das Netz war ein wertvolles Stück, man konnte dafür
fünfzig Go Reis eintauschen. Ich packte deshalb recht viel Steine drauf, um zu verhindern, daß es wieder hoch kam. Noch damit beschäftigt,
bemerkte ich in einer Ecke des Zierteichs unter einem überhängenden Aloeblatt
einen Karpfen, etwa dreißig Zentimeter lang, und eine etwa halb so große
Plötze, beide schwammen oben und hatten ganz geschwollene Bäuche. Ich fischte
sie heraus und warf sie unten an die Ziegelmauer, damit sie nicht verfaulten
und das Netz und alles andere dann danach stank. Bei beiden waren die Bäuche
gespannt und hart.
    Vor Jahren, als ich in einem gemieteten Zimmer
wohnte, war bei einem Erdbeben im Garten eine Bank in den Teich geschleudert
worden, und mehrere Karpfen waren verendet. Ich hatte einen davon seziert,
einen schwarzen Karpfen, etwa dreißig Zentimeter lang. Ich hatte mich damals
gewundert, daß die Schwimmblase prall wie ein Ballon war. Jetzt fiel mir das
wieder ein. Anscheinend wird, wenn Fische einem starken Schock ausgesetzt sind,
der Mechanismus gelähmt, der Schwimmblase und Nervensystem reguliert, so daß
sich die Schwimmblase mit einer Gasmischung füllt und einen plötzlichen Druck
auf die inneren Organe ausübt, was die Lebensfunktionen des gesamten Körpers
zum Stillstand bringt. Ich erinnerte mich, wie ich als Junge auf dem Land
Fische in einem Bergbach gefangen hatte, indem ich mit einem großen, flachen
Hammer auf einen Felsbrocken schlug — das war aber nur im Winter bei schwacher
Strömung möglich. Es dröhnte beim Aufprall des Metalls auf den Stein und roch
nach Schießpulver, und im gleichen Moment kamen die Fische unter dem Fels
hervor und standen ganz still und benommen im Wasser. Man konnte sie greifen,
sie versuchten nicht einmal wegzuschwimmen. Ihre Nerven funktionierten eine
Zeitlang nicht, durch den Schock gelähmt.
    Ich hatte auf der Plattform eines Zuges
gestanden und mit meinen Sinnen nur den Blitz und die Detonation wahrgenommen.
Daß Fische davon starben, Granitpfosten umstürzten, Mauern brachen, Menschen
auf der Erde aber fast unversehrt davonkamen, ging über meinen Verstand. Wenn
ich auch wußte, daß die Haut der Fische für Schallwellen empfindlicher ist als
die des Menschen, erfüllte mich doch namenloses Grauen bei dem Gedanken, was
für eine Bombe den Feuerball ausgelöst hatte und was für Auswirkungen sie
wissenschaftlich haben würde.
    Ich ging um die Häuser der Nachbarn herum und
schaute sie mir an: die Häuser der Nozus und der Nakanishis, die vor unserem
standen, das der Nittas auf der Westseite und die der Miyajis, der Okochis und
Sugais auf der Ostseite. Doch nirgends war auch nur ein Laut zu hören. Dann
besuchte ich die Häuser an der hinteren Straße. Von den Leuten unserer
Nachbarschaftsvereinigung waren Nojima, Frau Yoshimura und Frau Miyaji mit
Yasuko nach Furue gefahren und mußten deshalb eigentlich in Sicherheit sein.
Alle Häuser standen leer und neigten sich etwa fünfzehn Grad oder mehr. Ich
rief immer wieder nach Miyaji, mit dem ich erst vor einer Weile ein Stück
zusammen gegangen war, aber auch von dort erhielt ich keine Antwort. Das Haus
der Nakamuras war eingestürzt. „Herr Nakamura!“ rief ich. „Herr Nakamura!“
Keine Antwort. „Herr Nakamura!“ rief ich wieder. „Junger Herr! Frau Nakamura!“
Ich lauschte angestrengt auf ein mögliches Stöhnen, doch ich hörte absolut
nichts. Ein schweigendes eingestürztes Haus ist noch entnervender als ein
schweigend leerstehendes.
    Die Mitglieder der Nachbarschaftsvereinigung
mußten anderswo Zuflucht gesucht haben. Türen und Fensterläden waren sämtlich
unverschlossen, überall die völlige Gleichgültigkeit gegenüber Diebstahl wie in
all den Häusern, die ich unterwegs gesehen hatte. Die vielen Stunden der
Brandbekämpfungsübungen mit den Nachbarn erwiesen sich jetzt als sinnlos. Es
gab nicht eine Brandwache, und schon gar keiner kümmerte sich um Eimerketten,
Tragbahren oder sonstwas... Plötzlich erschien mir all das, was wir getan
hatten, wie ein Kinderspiel, und mein eigenes Leben war auch nur ein Spielball.
Auch gut, sagte ich mir, dann ist eben alles nur ein Kinderspiel. Dann sollte
man sich erst recht mit ganzem Herzen hineinwerfen. Auf geben gibt es nicht!
    Ich ging zu unserem Haus zurück und sah mir an,
wie es um die Dachziegel stand. Das Dach war auf der Nordseite völlig kahl, auf
der Südseite hatte es zwanzig bis dreißig Ziegel behalten,

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