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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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wahr?“
    „Ich nehme es auch an.“
    „Hast du Hunger?“
    „Nein, ich bin nicht hungrig.“
    „Wie steht’s mit den Nachbarn?“
    „Ich bin sofort hierhergekommen, da habe ich
nicht viel von ihnen gesehen.“
    Sie schien völlig benommen zu sein, ich wollte
deshalb sichergehen und selbst einmal nach unserem Haus sehen. Ich gab ihr den
strikten Befehl, sich nicht vom Fleck zu rühren, bis ich zurückkäme, und ging
los.
    Das Feuer auf der Kiefer war ausgegangen, aber
die Streben vom Telefonmast brannten unten. Ich schlug die Flammen mit einem
Bambusbesen aus. Das Haus neigte sich nach Südosten in einem Winkel von
fünfzehn Grad. Die Schieberahmen und die Läden der Fenster im Oberstock waren
weggeblasen, ich ging ins Wohnzimmer, alles lag voller Glassplitter, die
Schiebetüren hatten sich rautenförmig verschoben, ich besichtigte jedes Zimmer —
den großen Raum, die beiden kleineren Zimmer und das ganz kleine, ich stieg
auch in die beiden oberen Räume. Überall hatten sich die Schiebetüren geworfen
und in den Nuten verklemmt. Aus der Küche trat ich ins Badezimmer und stellte
fest, daß es die Küche unseres rückwärtigen Nachbarn Hayami mit der Wand und
allem Drum und Dran in unser Badezimmer geschleudert hatte. Die Badewanne war
begraben unter Tassen, Schöpfkellen, Eßstäbchen, Bratrosten, Porzellanschalen
und ähnlichem, und die Wand des Umkleideraums war mit einem schwärzlichen, in
Sojasoße gekochten Essen und mit eingelegtem Gemüse und alten Teeblättern
bekleistert. Auf den Dielen lag sogar ein Stück gedörrter Tintenfisch, den es
wohl auch von den Hayamis herübergeweht hatte. Mich überkam die Versuchung,
davon zu kosten, aber Tintenfisch war eine derartige Delikatesse, daß ich das
Stück dann doch in meine Verbandstasche steckte. Ich ging in den kleineren Raum
zurück und trank kalten Tee, gleich aus der Tülle der Kanne. Dann wühlte ich im
Medizinschränkchen nach etwas Brauchbarem für meine Brandwunden im Gesicht,
aber ich fand nichts, das sich als Salbe verwenden ließ. Der große Spiegel lag
zerbrochen am Boden. Mein Blick fiel auf den Kalender mit dem Tagesspruch. Da
stand: „Niemals aufgeben!“

Sechstes Kapitel
     
     
    Früh am nächsten Morgen erschienen Shokichi und
Asajiro, wie zu einer Reise angezogen, mit Reisetaschen. Sie fragten
Shigematsu, ob er nicht mitmachen wolle bei der Vorbereitung eines Teiches für
die Karpfenzucht. Freilich hätten sie schon Jungfische aus der Zuchtanstalt von
Tsunekanemaru gekauft, aber diesmal wollten sie gleich von Anfang an viel mehr
Karpfen züchten, um sie im großen Teich bei Agiyama auszusetzen.
    „Soviel ich weiß“, meinte Shokichi, „beginnen
sie in den ersten Maitagen zu laichen. Sie fangen damit an, wenn sich das
Wasser ein bißchen erwärmt, das geht dann bis Juli oder sogar August, solange
das Wasser die richtige Temperatur hat. Wir wollen zur Zuchtanstalt in
Tsunekanemaru, um zu lernen, wie man sie züchtet.“
    „Shokichi und ich fahren einfach hin, um zu
sehen, wie man’s macht“, warf Asajiro ein. „Wir gehen zu einem
Studienaufenthalt, könnte man sagen. Wenn wir das hinter uns haben, dann nichts
wie ran an den Teich, in dem sie aufgezogen werden sollen. Wir beide haben uns
das ganz fest vorgenommen. Also was ist, machst du mit?“
    Shigematsu war ohne weiteres einverstanden. Der
„Studienaufenthalt“ würde wohl nur drei oder vier Tage dauern; er konnte die
Zeit nutzen und mit der Übertragung seines Tagebuchs fortfahren.
    Shokichi und Asajiro zogen gleich mit ihren
vollgepackten Reisetaschen los, um den ersten Bus zu erreichen. Sie waren heute
so unternehmungslustig, daß man kaum glauben konnte, sie seien Opfer der
Strahlenkrankheit. Shigematsu wollte ihnen nicht nachstehen und setzte sich
eifrig ans Abschreiben seiner Aufzeichnungen.
    Ich ging nach hinten in den Garten zum Teich
neben dem Steingarten. Ein Sonnenschirm und ein Moskitonetz schwammen auf dem
Wasser. In letzter Zeit war es in unserer Familie eine Art Ritualhandlung
geworden, nach dem Abendessen ein Brett über eine Ecke des Bassins zu legen und
darauf das Geschirr, die Töpfe und das Küchengerät zu stellen, das wir jeden
Tag benutzten, dann brauchten wir bei Fliegeralarm das Brett nur an einer Kante
anzuheben, und der ganze Kram verschwand im Wasser. Shigeko mußte deshalb wohl
in dem Moment rein gefühlsmäßig Sonnenschirm und Netz hineingekippt haben.
    Ich nahm ein paar Ziegelsteine von der
eingestürzten Mauer und beschwerte damit das

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