Schwarzer Regen
die Firststeine
fehlten alle, bis auf einen, den ich bei einer Reparatur mit Kupferdraht
befestigt hatte. Auf der eingestürzten Mauer neben dem Teich hing ein Balken,
zwei Meter lang und zehn Zentimeter stark, und drei Rundhölzer, jedes etwa drei
Meter lang, lagen innen an der Mauer. Vom Lager des Holzhändlers mußte manches
über die Gemüsegärten der Universität geflogen und hier gelandet sein. Was
immerhin hieß, daß die Hölzer mindestens hundertfünfzig Meter durch die Luft
gesegelt waren. Nicht zu glauben! Ich hatte plötzlich die Eingebung, Balken und
Rundhölzer als Strebepfeiler für das sich neigende Haus zu benutzen. Ein
Strebepfeiler hat ja den Zweck, sich einem Gebäude, das Umstürzen will,
kraftvoll entgegenzustemmen; und meine eigenen Strebepfeiler sahen ganz schön
stämmig aus. Ich blickte durch das Loch in der Mauer auf der Suche nach
weiterem Bauholz, da sah ich drüben einen jungen Mann auf einem Balken sitzen,
der sich gerade seine Wickelgamaschen band. Es war der Student von der
Industrie-Fachschule, der bei den Nachbarn wohnte. „Hashizume!“ rief ich. „Was
machen Sie denn da?“
Er blickte wie aufgeschreckt um sich und sagte:
„Ja.“
„Was ist denn mit Frau Nitta und allen anderen
passiert?“
Er starrte mich bloß an und sagte nochmals:
„Ja.“
„Nur immer ruhig und Mut gefaßt“, erwiderte ich
und kletterte über die Mauertrümmer auf die Straße. „Sie sind von der Schule zurückgekommen,
nicht wahr? Was ist mit der Schule passiert? Irgendwas kaputt?“
„Die Schule ist eingestürzt“, sagte der Junge
tonlos. „Fast alle wurden zerquetscht. Ein paar kamen aus den Trümmern raus,
aber verletzt.“
Der junge Hashizume, ein Verwandter der Nittas,
war sonst ein fröhlicher, lebhafter Bursche, jetzt schien er fast den Verstand
verloren zu haben. Er redete völlig zusammenhanglos; ich erriet nur halb den
Sinn, verstand aber so viel, daß er unter Tischen und Stühlen hindurchgekrochen
war und dann durch den Raum zwischen Decke und Dach, bis er einen Ausgang
gefunden hatte.
„Als ich nach Hause kam, war keiner hier.“
„Dann bleibt uns bloß übrig, nach ihnen zu
suchen, ehe das Feuer hier ist“, meinte ich. „Ich denke mir, die meisten aus
der Umgebung werden auf dem Sportplatz der Universität sein. Meine Frau ist
dort. Also, was machen wir? Wollen wir dort suchen?“
„Ja“, sagte er und folgte mir, als ich losging.
Auf dem Sportplatz herrschte immer noch ein
Wirrwarr von Verletzten und Geflüchteten. Wir schoben uns durch die Menge und
gelangten an das Becken, wo wir Frau Okochi aus der Nachbarschaftsvereinigung
vorfanden, die neben meiner Frau saß. „Ach, Herr Hashizume!“ rief sie aus, dann
schien sie nach Worten zu suchen. „Mein Gott, manche Leute haben aber auch ein
Pech! Es ist wirklich zum... Herr Hashizume, Ihre Tante ist ins
Kyosai-Krankenhaus gegangen, Ihr Onkel hat sie hingebracht.“ Es stellte sich
heraus, daß Frau Nitta vor ihren Augen verwundet worden war. Sie hatte auf der
Straße gestanden, um sich mit ihr über die Verabschiedung von ein paar jungen
Männern zu unterhalten, die an die Front gingen, als plötzlich ein greller
Blitz zuckte und eine Druckwelle daherfegte. Ein Ziegel kam durch die Luft
gesaust und schnitt das Fleisch von Frau Nittas Wange weg.
Frau Okochi war in Tokio geboren, sie hatte dort
das große Erdbeben mitgemacht; wenn sie damals auch erst in die Grundschule
ging, so hatte sie doch erlebt, was Dachziegel anrichten können. Bei einem
großen Erdbeben werden sie von einer unvorstellbaren Kraft durch die Luft
geschleudert, daß sie wie Pappstücke umhersausen, mit denen die Kinder spielen.
Mitunter flogen sie fünfzig bis sechzig Meter weit. Man könnte sich richtig
vorstellen, meinte sie, was für eine Wucht die Explosion von dem Feuerball hatte,
wenn Dachziegel derart herumgewirbelt wurden.
Wie um zu zeigen, daß er wieder zu sich kam,
fing der junge Hashizume an zu weinen. „Ich geh zum Krankenhaus“, sagte er.
„Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit, und alles Gute wünsch ich Ihnen.“
Widerstrebend nahm er die fünf Yen an, die Frau Okochi ihm für den Weg in die
Hand drückte, und ging allein los, am Rande des Beckens entlang.
Shigeko und ich erwogen die verschiedenen
Möglichkeiten und meinten dann, daß es das beste sei,
uns nach Ujina zur Zweigstelle von Japan-Transport zu wenden. Selbst wenn
Yasuko mit dem LKW von Furue wieder nach Hiroshima gefahren sei, meinten wir,
würden die Brände, die sich
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