Schwarzer Regen
Stelle lag ein Mann, beide Arme ins Wasser gestemmt,
und trank. Wir gingen auf ihn zu und hofften, es ihm gleichzutun, aber er trank
nicht, sondern war tot.
„Ob das Wasser im Fluß wohl giftig ist“, fragte
Yasuko und sprach das aus, was ich im stillen auch
dachte.
„Wer weiß“, erwiderte ich und stapfte weiter
durchs Wasser. „Aber wir trinken’s lieber nicht.“
Der Rauch, der von der Stadt herüberwehte,
verschwand allmählich, und rechts wurden Reisfelder sichtbar. Wir kletterten
mühsam über eine abbröckelnde Steinmayer ans Ufer. Wir kamen an die Reisfelder
und gingen auf den Erddämmen, die die Felder eingrenzten, auf die Straßenbahnlinie
zu. Hier sahen wir eine Gruppe Schulmädchen und Jungen verstreut in den Feldern
liegen, tot. Sie mußten wohl in aller Hast aus einer Fabrik geflohen sein, in
der sie Kriegsdienst leisteten. Wir stießen auch auf Erwachsene. Ein älterer
Mann lag quer über dem Pfad, seine Jacke war vorn voll Wasser gesogen.
Wahrscheinlich hatte er von dem Wasser im Reisfeld getrunken, bis er nicht mehr
konnte, und war dann völlig gleichgültig oder in einem Schwindelanfall
umgesunken und gestorben. Wir stiegen über den Leichnam und zogen weiter, immer
auf den Pfaden zwischen den Feldern entlang, bis wir schließlich an einen
Bambushain kamen. Man hatte diesen Hain wohl angelegt, um Bambusschößlinge zu
ernten, denn das Unterholz war gut zurückgeschnitten. Endlich hatten wir einen
kühlen Laubschatten erreicht, wir ließen uns auf die Erde fallen, ohne ein Wort
zu sagen. Ich nahm meine Verbandstasche und den Luftschutzumhang ab, zog die
Schuhe aus und wälzte mich auf den Rücken. Im gleichen Moment schien sich mein
Körper in Nichts aufzulösen, und ehe ich es merkte, glitt ich in einen tiefen
Schlummer. Ich weiß nicht, wie lange danach ich aufwachte, ich hatte rasenden
Durst, und mein Hals tat weh. Meine Frau und Yasuko schliefen, den Kopf auf den
Arm gelegt. Ich drehte mich auf den Bauch, angelte die Literflasche Wasser aus
dem Rucksack meiner Frau und trank. Mir schien es wie himmlischer Nektar. Ich
hatte nie gedacht, daß Wasser so gut sein kann. Meine Ekstase mischte sich fast
mit einer Art Stolz. Ich muß wohl einen Viertelliter getrunken haben. Meine
Frau und Yasuko erwachten. Es war Nachmittag, die Sonne senkte sich nach
Westen. Ohne ein Wort nahm Shigeko die Flasche, die ich ihr reichte, hob sie
mit beiden Händen an und trank gierig. Sie trank wohl auch einen Viertelliter.
Dann gab sie die Flasche wortlos an Yasuko weiter. Auch Yasuko hob die Flasche
mit beiden Händen. Sie hielt inne bei jedem Schluck, aber jedesmal, wenn sie
die Flasche hob, lief ein Strom von Luftblasen hindurch, und das Wasser wurde
sichtbar weniger. Wollte sie denn gar nicht auf hören? Als sie schließlich die
Flasche absetzte, war vielleicht noch ein Viertelliter drin. Aus dem Rucksack
nahm meine Frau ein paar Gurken, die sie mitgenommen hatte, weil sie nichts
Besseres fand, und machte ein Päckchen Salz auf. Die Gurken waren auf einer
Seite schwarz und verfärbt.
„Wo hast du denn die gekauft?“ fragte ich.
„Frau Murakami aus Midori-cho hat sie uns heute
früh gebracht.“
Offensichtlich hatte Frau Murakami uns diese
drei Gurken und etwa ein Dutzend kleiner gedörrter Fische, die man als
Suppenwürze verwendet, frühmorgens gebracht, als Gegengabe für ein paar von den
Tomaten, die uns Shigekos Familie vom Lande geschickt hatte. Shigeko hatte die
Gurken in einem Eimer Wasser neben dem Teich stehenlassen, und der Blitz von
der Bombe mußte sie verfärbt haben. „Komisch“, sagte ich, „als ich vom
Sportplatz zu unserem Haus ging, fraßen die Sackträgerraupen an den Blättern
der Azaleen. Die Gurke wurde versengt, aber die Raupen blieben am Leben.“ Ich
stippte die Gurke in Salz und dachte weiter darüber nach, während ich aß. Eine
physikalische Reaktion mußte doch auf der Oberfläche des Wassers in dem Eimer
vor sich gegangen sein. Konnten durch Spiegelung Temperatur und Lichtstärke im
Eimer ansteigen? Als ich das Moskitonetz im Teich versenkt hatte, waren mir auf
den Azaleen, die ihre Zweige über das Wasser streckten, die Sackträgerraupen
aufgefallen, die eifrig an den neuen Sommertrieben fraßen. Ich rüttelte an dem
Zweig, und die Raupen zogen sich in ihre Gehäuse zurück, aber als ich mit ein
paar Mauerbrocken wiederkam, um damit das Netz zu beschweren, fraßen sie schon
seelenruhig weiter. Die Knospen waren nicht verfärbt und auch die Säcke der
Raupen nicht; also
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