Schwarzer Regen
des Fleisches, das dicke, köstliche bernsteinfarbene
Jus und der Duft, bei dem einem das Wasser im Munde zusammenlief...
Es wäre eine Sünde gewesen, so etwas Gutes
inmitten der Ruinen zu essen. Ganz sicher hätte sich, sowie man die Büchse nur
öffnete, ein riesiger Fliegenschwarm darauf niedergelassen. Tashiro von der
Konservenfabrik in Ujina erzählte mir gestern, was ihm zugestoßen war, als er
in den Trümmern etwas essen wollte. Er hatte die Büchse kaum geöffnet, da kamen
die Fliegen und färbten das Fleisch im Nu gelb. Überall auf der Oberfläche
legten sie gelbe Eier ab. Diese zahllosen Fliegenschwärme reichten schon aus,
um einem den Appetit gründlich zu verderben, außerdem herrschte überall der
furchtbare Gestank. Der ausgebleichte Leinenrucksack, den Tashiro trug, sah
aus, als wäre er mit schwarzer Wolle bestickt, weil sich die Fliegen überall in
dicken Trauben darauf setzten. Ich nehme an, bei mir war es nicht anders.
Der Geschäftsführer teilte das Fleisch redlich
mit mir. Wir aßen auch jeder eine zweite Schale Reisersatz. Noch während
unseres Abendessens kam Nishina, ein Arbeiter aus der Herstellung, herein und
bat mich, wieder eine Bestattungsandacht für einen soeben Verstorbenen
abzuhalten.
„Ich komme, sobald ich fertig bin“, sagte ich
ihm. „In einer halben Stunde oder ‘ner Stunde.“
Nishina blickte vorwurfsvoll auf die leere
Büchse, die auf dem Tisch stand. Der Geschäftsführer hätte ganz gut erklären
können, daß es sich um eine Büchse Fleisch handelte, die er als Geschenk für
unsere Kunden aufgehoben hatte, aber statt dessen meinte er nur leutselig:
„Wenn wir unser Mahl beendet haben, muß Herr Shizuma noch gurgeln, um sich zu
reinigen, bevor er kommt, weil er Fleisch gegessen hat. Ich denke, er wird
heute die ,Schrift über die Vergänglichkeit“ lesen.“
Nishina schluckte, erwiderte aber nichts.
Die Verstorbene, Saki Mitsuda, war Nishinas
Schwägerin, eine Witwe von sechsunddreißig Jahren. Wie sie Nishina erzählte,
hatte sie auf einem Acker im Stadtgebiet gearbeitet, als die Bombe fiel. Sie
jätete gerade in einem Tarofeld Unkraut und hockte auf der Erde, ein Handtuch
um den Kopf gewunden. Die breiten Blätter der Pflanzen hatten sie wie ein
Schirm vor dem Blitz geschützt. Sie wurde nicht auf der Stelle getötet, sondern
nur vorübergehend gelähmt. Eine Weile lag sie mit dem Gesicht nach unten
zwischen den Taropflanzen. Als sie aufblickte, war der Himmel dunkel.
Hakushima-Nakamachi und Nishi-Nakamachi standen in Flammen. Sie sagte sich,
hier darfst du nicht bleiben, und kroch zum Ufer. Das Wasser sah dunkel purpurn
aus, und Angst kam über sie, als sei dies der Weltuntergang. Das Feuer breitete
sich rasch aus. Aber eine Witwe muß beherzt sein, um sich durchzuschlagen,
daher nahm sie allen Mut zusammen, sprang in den Fluß und hielt sich an einem
Bambusfloß fest. (Das Floß war eines von denen, die die Einwohner auf Drängen
der Stadtverwaltung am Ufer liegen hatten, um sich bei einem Luftangriff in
Sicherheit zu bringen.) Wegen der Flut stand das Wasser vielleicht anderthalb
Meter hoch. Bald kam ein heftiger Regenschauer, und es wurde schrecklich kalt.
Sie kletterte auf das Floß und bedeckte sich mit einer Steppdecke, die den Fluß
herabgeschwommen kam. Ein auf dem Wasser treibendes Brett diente ihr als Paddel,
und so gelangte sie stromab aus der Gefahrenzone. Sie hatte Verbrennungen am
linken Ohrläppchen, am Hals und an der Schulter.
Vorgestern nacht war
sie bei ihrem Schwager angekommen. Da konnte sie noch ohne jede Hilfe gehen.
Aber gestern nacht verließen sie plötzlich alle
Kräfte, sie stöhnte nur noch vor unaufhörlichen Schmerzen, bis sie starb.
Da ich für das Begräbnis eines Außenstehenden
verantwortlich war, schrieb ich all diese Einzelheiten auf.
Das Feld, auf dem sie gearbeitet hatte, lag im
Park am Fluß. Im Frühjahr des vorhergehenden Jahres hatte man fast den ganzen
Park umgegraben, denn auf Anordnung der Regierung sollte jedes nur denkbare
Fleckchen Erde bepflanzt werden. So wurden im Park Eierfrüchte, Gurken,
Tomaten, Taros und andere Gemüsesorten angebaut. In dieser Gegend sollen beim
Angriff sofort alle umgekommen sein, auch die Mädchen von der Ersten Oberschule
und vom Städtischen Lyzeum, die ^Kriegsdienst auf den Feldern leisteten. Daß
sie überhaupt bis heute gelebt hatte, damit hatte sie dem Tod ein Schnippchen
geschlagen.
Der Geschäftsführer hing immer noch seinen
Gedanken nach. „Shizuma“, sagte er zu
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