Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
Vom Netzwerk:
die überall herumliegenden Glassplitter zu Staub und ließen
zwei Spuren in den Trümmern zurück, die weiß in der Sonne glitzerten.
    Der Arbeiter hatte zwei Flaschen mit Wasser
gefüllt und auf den Karren gelegt. Wir gingen immer eine Weile, hielten an, um
uns den Schweiß abzuwischen, zogen weiter, hielten wieder zum Schweißabwischen
an und nahmen jedesmal einen Schluck aus der Flasche, bis das Wasser alle war,
ehe wir noch die Stadt hinter uns hatten. Das ständige Holpern und Rucken und
der Gestank, der über den Straßen lag, schienen die Hitze der über uns
brennenden Sonne zu verdoppeln. Einmal rief ich meinem Gefährten nach hinten
zu: „Rokuro! Können wir hier nicht mal irgendwo Rast machen?“
    Aber er sagte bloß: „Nein — erst wenn wir aus
der Stadt raus sind.“
    Ich zog verbissen den Karren und dachte immer
nur an die Strecke, die wir zurückgelegt hatten. Jetzt haben wir drei Kilometer
geschafft, sagte ich mir, jetzt dreieinhalb oder vielleicht schon vier... Nach
etwa fünf Kilometern hielten wir bei einem Haus an der Straße und baten um
Wasser aus dem Brunnen. Wir füllten unsere Flaschen und genossen eine längere
Rast. Rokuro Masuda, der Arbeiter, war ein magerer Mann Anfang Fünfzig. Er
hatte diese Aufgabe auf Vermittlung einer Frau aus der Werkskantine übernommen.
Er gehörte zu dem widerstandsfähigen Menschenschlag mit gutmütigem Gesicht.
    Und weiter ging’s. Nach etwa sechs Kilometern
hörten die Ziegelsplitter auf, und zu meiner großen Erleichterung ließ damit
auch das Geholpere nach. Als wir schließlich unser Behelfsheim erreichten,
waren die Lichter schon an. Ich wollte mich gerade mit einem Schnaufer auf dem
Rand des Vorbaus niederlassen, als ich, was mich sehr überraschte, zwei meiner
Schwäger auf dem Tatami liegen sah. Sie schnarchten, obwohl die Lampe über
ihnen brannte.
    Ich gab Rokuro seinen Lohn und ging dann nach
hinten zum Brunnen, um nach Shigeko zu sehen.
    „Zurück vom Gewaltmarsch!“ meldete ich mich. Yasuko
heizte gerade das Bad im Haus des Wirts. Shigeko kauerte neben dem Bach, der
hinten am Haus vorüberfloß, und spülte im Dunkeln Wäsche.
    „Wann sind unsere Gäste denn angekommen?“
erkundigte ich mich.
    Shigeko und Yasuko hatten offensichtlich die
beiden Besucher im Garten vorgefunden, als sie aus Hiroshima zurückkehrten. Sie
hatten niedergeschlagen auf dem Rand des Vorbaus gesessen. Nur weil sie sich um
uns Sorgen machten, waren sie aus ihrem Dorf tief in den Bergen hergekommen.
Nachdem sie das niedergebrannte Senda-machi gesehen hatten, hatten sie sich
erkundigt, wo ich arbeitete, und waren schließlich nach vielem Umherwandern
hier gelandet.
    „Ich habe vor lauter Freude bloß immerzu
geweint“, sagte Shigeko. „Sie haben sich alle solche Sorgen um uns gemacht. Und
die beiden haben Schreckliches durchgemacht, bis sie uns hier fanden. Sie
mußten sogar die Eisenbahnbrücke über den Ashida überqueren.“ Sie weinte
haltlos wie ein Kind.

Dreizehntes Kapitel
     
     
    11. August.
    Gestern abend ging ich,
ohne mich überhaupt um unsere Besucher von außerhalb gekümmert zu haben, zum
Geschäftsführer und gab ihm beim Abendessen in der Betriebskantine einen
Bericht über die Kohlenlage in den Ruinen von Hiroshima. Ich schlug ihm vor,
daß unsere Firma sich auf eigene Faust Kohle beschaffen müßte. Nebenbei
erzählte ich ihm, wo ich die Maurerkelle und die Eukalyptusblätter gelassen
hatte.
    „Vielleicht sollte ich das nicht sagen“,
antwortete er, „aber ich glaube, man hat Sie ganz schön an der Nase
herumgeführt. Warum um alles in der Welt können die Offiziere im
Heeresbekleidungsamt nicht die Kohlenhalden in Ube freigeben? Meinen Sie nicht,
Sie hätten eine richtige Erklärung verlangen können? Hat man Sie nicht wie
einen dummen Jungen behandelt? Wenn die dort behaupten, sie könnten die Kohle
nicht freigeben, müssen Sie das denn einfach schlucken? Was bilden sich die
Herren vom Militär eigentlich ein in einem solchen Katastrophenfall wie diesem?
Das ist doch zum Kotzen.“
    Er war so erregt, daß ihm die Hand zitterte, in
der er einen Büchsenöffner hielt, um eine Fleischbüchse zu öffnen. Trotz allem
hatten wir ein gutes Mahl. Zwar gab es keinen Reis, nur ein Gemisch aus drei
Vierteln Gerste und einem Viertel Kleie, aber wir verzehrten dazu das
Büchsenfleisch, das als Geschenk für die Kohlenerfassungsbehörde gedacht war.
Seit Monaten hatte ich nicht mehr so etwas Köstliches gegessen. Das herrliche,
wie Marmor geflammte Braun

Weitere Kostenlose Bücher