Schwarzer Regen
mir, „sehen Sie zu, daß Sie heute zeitig
zu Bett gehen, sobald die Andacht vorüber ist. Sie müssen morgen noch mal aufs
Bekleidungsamt und einen neuen Antrag auf Kohlenzuteilung stellen. Es hört sich
zwar ganz gut an, wenn Sie sagen, wir sollten uns auf eigene Faust Nachschub
beschaffen, aber hieße das in Wirklichkeit nicht, zu rasch aufgeben? Ich weiß,
es ist eine Zumutung, aber versuchen Sie, noch entschiedener aufzutreten.“
„Es hat doch keinen Zweck“, meinte ich ziemlich
ratlos. „Das einzige, was noch helfen könnte, ist ein Empfehlungsschreiben von
Hauptmann Nozu vom Nachrichtenkorps. Damit müssen wir direkt nach Ube zur Zeche
fahren und mit den Leuten dort verhandeln. Wir brauchen uns doch wohl kaum an
die Bewirtschaftungsbestimmungen zu halten, wenn die Erfassungsbehörde
verschwunden ist?“
„Das ist alles gut und schön, aber Hauptmann
Nozu ist auf Dienstreise. Ich bin heute mehrmals oben in der Schreibstube vom
Nachrichtenkorps gewesen, und es war immer nur ein Unteroffizier dort. Als ich
ihn fragte, wohin Hauptmann Nozu gefahren sei, erwiderte er, das sei ein
Dienstgeheimnis. Und ich erhielt dieselbe Antwort, als ich mich erkundigte,
wann er zurückkäme. Ich habe vorhin im Lager nachgesehen; die Kohle reicht
gerade noch für zwei Tage. Was sollen wir bloß machen?“ Verzweifelt stützte er
den Kopf in die Hände.
„Wenn das so ist, fahre ich eben morgen früh
wieder los“, sagte ich, „selbst wenn es nichts nützt.“
Ich fand mich damit ab, noch einmal zum
Heeresbekleidungsamt zu gehen, obwohl ich wußte, daß es völlig zwecklos war.
Als ich nach der Andacht zurückkehrte, wehte mir
der Duft gerösteter Reisfladen entgegen, der selbst durch die wegen der
Verdunklung geschlossenen Fensterläden drang. Dabei konnte ich sogar
unterscheiden, daß sie in Sojasoße gewendet und über glühenden Holzkohlen
gebacken wurden. Ich ging durch den Hintereingang hinein. Unsere beiden Gäste
waren jetzt wach und saßen mit Ya-suko und Shigeko um den Tisch. Auf dem Tisch,
einem herrlichen Stück aus Ebenholz, den uns der Hauswirt geliehen hatte,
standen Schalen und andere Gefäße mit den gerösteten Reisfladen. Unser Besuch
mußte sie als Geschenk vom Lande mitgebracht haben. Yasuko und Shigeko aßen
heißhungrig.
„Na, da ist er ja“, sagte Shigeko fröhlich, als
sie mich im Vorraum stehen sah. „Entschuldige, daß wir nicht auf dich gewartet
haben.“
„Guten Abend, Onkel“, sagte Yasuko. „Leider
haben wir schon angefangen. Aber als wir mit dem Rösten der Reisfladen
begannen, konnten wir uns nicht mehr bezähmen. Sie haben auch gedörrten Reis
mitgebracht. Ein paar Reiskuchen sind noch übrig.“
„Es ist sehr lieb von euch, so für uns zu
sorgen“, sagte ich zu den Gästen und setzte mich dabei seitlich auf die Stufe,
die vom Vorraum zum Wohnzimmer führte, damit die Brandwunden auf meiner linken
Wange nicht zu sehen waren. Die beiden Gäste starrten mich mit rotumrandeten,
erschrockenen Augen an wie Kaninchen, und schon kullerten beiden Tränen über
die Wangen. Der eine, Masao Watanabe, war Shigekos älterer Bruder, der andere,
Yoshio Takamaru, Yasukos Vater.
Takamaru, der mit gekreuzten Beinen gesessen
hatte, hockte sich rasch wieder förmlicher auf die Fersen, umklammerte mit den
Händen die Knie und nagte schluchzend an seinem Schnurrbart. Das brachte auch
Shigeko und Yasuko außer Fassung, sie verzogen das Gesicht und hörten auf, an
ihren Fladen zu kauen. Watanabe saß schweigend da, wischte sich immerzu die
Augen und sah mir ins Gesicht. Ich wappnete mich gegen die Tränen, konnte aber
der Gefühlsaufwallung kaum Herr werden, denn schon liefen mir Tropfen aus der
Nase auf die Oberlippe. Daraufhin drehte ich ihnen den Rücken zu.
„Ich freue mich so, euch alle gesund zu sehen“,
sagte Watanabe, „gesund und am Leben. Wir glaubten schon, wir würden euch nie
Wiedersehen, höchstens hofften wir noch, die Stelle zu finden, auf der ihr
gestorben wart.“
„Ich freue mich auch so, wirklich“, fiel
Takamaru ein. „Wir hatten Yasuko schon völlig aufgegeben. Ihr habt sie immer so
gut behütet, daß wir alle meinten, sie sei mit euch ins Jenseits gegangen.
Unsere ganze Familie in Kobatake und in Hirose hatte alle Hoffnung
fahrenlassen.“
Ich blieb auf meinem Platz sitzen und nippte an
dem Tee, den mir Yasuko eingegossen hatte. „Da habt ihr euch unsretwegen solche Sorgen gemacht.“
Nach und nach erfuhren wir von Watanabe, was für
einen Schock unsere Angehörigen
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