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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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Nakao, der in einem Großhandelsgeschäft tätig war,
besaß eine ganze Menge Aktien und Schuldverschreibungen. Er sammelte aus
Liebhaberei Lackschnitzereien. In seinem Wohnzimmer hatte er einen niedrigen
Tisch aus schwarzem Lack, der aus der Muro-machi-Ära stammen sollte und der
selbst einer Dame von edler Herkunft zur Zierde gereicht hätte.
    Ich besuchte Herrn Nakao und gab ihm die
Eukalyptusblätter, die Maurerkelle, den Papierfächer und ein paar
Kreosot-Tabletten aus dem Rucksack (die Fleischbüchse ließ ich drin). Die Firma
hatte mir die Sachen als Geschenke für die Angestellten der
Kohlenerfassungsbehörde mitgegeben, aber da sie nicht zu finden waren, konnte
ich darüber verfügen. Ich hätte sie wieder mit zurücknehmen sollen, aber ich
war schließlich alt genug, um erhaltene Anweisungen den veränderten Umständen
anzupassen.
    Herr Nakao erkannte sofort den Nutzen meiner
einfachen Gaben. Besonders Eukalyptusblätter und Maurerkelle seien unschätzbar,
meinte er und bedankte sich überschwenglich. Die Eukalyptusblätter waren ein
gutes Mittel gegen die Moskitos. Wenn man sie im Luftschutzunterstand glimmen
ließ, vertrieben sie die Mücken, die selbst am Tage überhandnahmen. Die Leute,
die in den Blech- und Bretterbuden auf den Ruinenfeldern hausten, benutzten die
hintere Ecke ihrer Luftschutzunterstände als Toilette. Der Ansturm der Moskitos
war fürchterlich, aber manchmal konnte man unmöglich bis Sonnenuntergang
aushalten. Bei den Nakaos muß das ein besonders schwieriges Problem gewesen
sein, weil die Tochter sich gerade im schamhaftesten Alter befand. Mit dem
Papierfächer wiederum konnte man die Eukalyptusblätter am Glimmen halten. Die
Maurerkelle war ein unentbehrliches Werkzeug, um in der Erde zu scharren oder
Löcher im Unterstand oder draußen auszufüllen.
    „Vielen, vielen Dank“, wiederholte Herr Nakao.
Er schien eine Unterhaltung zu suchen. „Vor dem Angriff war unser Unterstand
voller Heimchen — es gab unendlich viele, wirklich, kleine braune Heimchen — , Hasen-Heimchen nennt man sie, wie mir ein Mann auf der
Geibi-Bank erzählte. Aber seit dem Angriff haben wir mit einemmal eine wahre
Flut von Moskitos. Bestien sind das. Also wirklich, Sie hätten uns nichts
Nützlicheres mitbringen können...“
    „Ich hab die Sachen gar nicht mal selber
ausgesucht“, sagte ich, erzählte aber nicht, daß ich ihm da etwas gab, was
eigentlich für andere bestimmt war. „Der Geschäftsführer in unserem Betrieb hat
von den Moskitos gehört, so ließ er mich die Sachen auf gut Glück mitnehmen. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen beim nächsten Mal noch mehr
von den Blättern bringen.“
    Herr Nakao schnupperte eifrig an dem Eukalyptus.
Der Geschäftsführer hatte mir einen Korb voll Blätter mitgegeben. Die jungen,
ovalen, weiß bestäubten Blätter wurden welk, die älteren, halbkreisförmigen,
bogen sich zu steifen absonderlichen Formen.
    Herr Nakao wollte zunächst dort bleiben, bis er
seinen Sohn gefunden hatte. Vom Rathaus wurde er mit Lebensmitteln versorgt. Es
gab pro Tag einen großen Reiskuchen und eingelegte saure Pflaumen oder
eingelegte Rettiche. Ich verabschiedete mich von ihm und ging wieder zu dem
Arbeiter hinüber. Ich nahm ein Ende des an den Karren gebundenen Seils über die
Schulter und zog daran. Sogleich mußte ich feststellen, wie schwer es ist, einen Karren zu ziehen. Jedesmal, wenn ein Rad über einen
Ziegelbrocken fuhr, zerrte das Seil heftig an der Schulter. Ich lehnte mich in
einem Winkel von fünfundvierzig Grad nach vorn, stemmte mein ganzes Gewicht
gegen das Seil, aber bei jedem Ruck wurde ich, wie mir schien, nicht nur hoch-,
sondern auch zurückgerissen.
    „So schaffe ich das nicht, Rokuro“, sagte ich zu
dem Arbeiter. „Dieses Seil gibt ja überhaupt nicht nach. Wissenschaftlich
betrachtet ist es kein Wunder, daß es so schwer geht. Nach sechs, sieben
Kilometern habe ich kein Fleisch mehr auf der Schulter.“
    „Sie müssen mit dem Gewicht Ihres ganzen Körpers
ziehen und nicht bloß mit der Schulter“, sagte er. „Machen Sie es mal so.“ Und
er knotete das Seilende zu einer Schlinge.
    Auf seinen Rat nahm ich die Schlinge über die
rechte Schulter und steckte den linken Arm durch, so daß der Knoten genau auf
den Rücken kam. Es ging ein bißchen besser, weil der Ruck jetzt auch von der
Brust abgefangen wurde, wenn der Karren über einen Buckel rumpelte. Unser
Karren schien der erste zu sein, der seit dem Sechsten hier entlangfuhr. Die
Räder zermalmten

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