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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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schienen alle äußerst simpel, und doch
ließen sie manches von den Gefühlen und Lebensumständen derjenigen ahnen, die
sie geschrieben hatten. Ich notierte mir einige Sätze, die auf den Papierfetzen
standen.
     
    An Konosuke: Komm zur Tante in Gion — Vater.
    Vater und Mutter: Wo seid ihr — Mayumi, bei
Herrn Abe, Sakurao, Hatsukaichi.
    Vati: Der Junge sorgt sich um dich — Hasue, bei
Yaichi, Shintaku, Happonmatsu.
    Shinzo Watanabe lebt und ist gesund. Jetzige
Adresse:
    Bei Shigeki Sehara, Midorii.
    Wo seid ihr, Klassenkameraden. Bin jeden Tag um
zehn hier — Taizo Ogawa, Klasse II A, Gewerbeschule.
    Großvater, Großmutter und Emiko vermißt. An
Shoji und Natsuyo: Kommt zu Herrn Tokuro Ida in Okawa-cho — Yasuoka.
    An Herrn Ikuo Nishiguchi aus Kamiya-cho: Bitte
um Ihre jetzige Adresse, damit ich meine Schulden bezahlen kann. Danke. Ihr
Bekannter aus Nakahiro-cho.
    An Yaeko: Mach Rast in Mihara auf dem Rückweg
nach Fuchu — Dein Vater.
     
    Ich rannte im Dauerlauf weiter und schlug mit
dem Handtuch um mich, um die Fliegen zu vertreiben, die mich verfolgten. Geriet
aber bald außer Atem und mußte wieder im Schritt gehen. Überall an der Straße
sah ich zwischen geborstenen Mauern und Zierfelsen in den ehemaligen Gärten
Sauerklee und Wicken, die sich unter dem Gewicht der neuen Schößlinge beugten.
Sie waren so schnell gewachsen, daß die Stengel sie nicht mehr tragen konnten.
Ob die Explosion die Zellstruktur der Pflanzen ebenso angriff wie die der
Menschen?
    Ich erinnerte mich an einen Landwirtschaftsexperten,
der einmal unser Dorf besucht hatte. Wenn die Reispflanze auf den Feldern zu
tief im Wasser wächst, hatte er uns erzählt, wird der Teil des Halms, der
direkt im Wasser steht, in seiner Struktur geschwächt, deshalb knicken diese
Pflanzen später um. Das sei eine wissenschaftlich allgemein anerkannte
Tatsache. Aber ich habe nie davon gehört, daß plötzlich auftretende starke
Licht-, Schall- oder Hitzewellen Pflanzen zu ungewöhnlich schnellem Wachsen
veranlassen. So wie die Bombe menschliches Leben vernichtete, muß sie
gleichzeitig das Wachstum von Pflanzen und Fliegen gefördert haben. Insekten
und Pflanzen gediehen wirklich phantastisch. Gestern sah ich einen neuen
Schößling, fast einen halben Meter lang, aus einer Bananenstaude im Hof eines
ehemaligen Nudelrestaurants wachsen. Der eigentliche Stamm war bei der
Detonation abgebrochen und spurlos verschwunden, aber an der Bruchstelle wuchs
bereits ein neuer Schößling ,, von einer Blattscheide
umgeben wie ein Bambussproß. Heute hatte der Schößling schon eine Länge von
fast dreiviertel Metern. Ich habe meine Kindheit auf einem Bauernhof verbracht
und kenne viele Bäume, doch darüber wunderte ich mich sehr.
    Das Nudelrestaurant hatte ich früher oft
besucht. Als ich noch im Proviantamt arbeitete, ging ich jeden Sonntag zum
Mittagessen dorthin, der Eigentümer sprach mich mit „Boss“ an. Als die
Lebensmittel knapp wurden, überredete ich ihn manchmal, mir aus alter
Freundschaft unter der Hand etwas von seiner offiziellen Nudelzuteilung
abzulassen. Er kochte ein sehr schmackhaftes Gericht aus Nudeln, Fleisch und
Gemüse und würzte es mit Curry. Lauter solche Einzelheiten gingen mir durch den
Kopf, als ich da stand und mit Handspannen die Länge des Bananenschößlings
abschätzte. Plötzlich entdeckte ich den Terrier aus dem Restaurant, der hinter
einem Stein kauerte und mich ansah. Ich rief ihn und pfiff, aber heute kam er
nicht, er wedelte nicht einmal mit dem Schwanz. Er stand nur und starrte. Er
mußte während des Brandes weggerannt und danach zurückgekommen sein, um seinen Herrn
zu suchen. Ich konnte mir nicht erklären, wie er inmitten der ausgebrannten
Wüste ohne einen Brocken zu fressen aushalten konnte. Er war mager und struppig
und sein Fell ganz dunkelgrau. Ich wollte ihm schon ein Stück von meinem
Reiskuchen geben, überließ ihn dann aber doch seinem Schicksal, weil er mir
sonst nur nachgelaufen wäre.
    Vier oder fünf Grundstücke hinter der
Nudelgaststätte hörte ich metallisches Hämmern. Ein Mann machte sich mit einem
Meißel an einem großen rostbraun verbrannten Safe zu schaffen. Er war mittleren
Alters, trug einen Tropenhelm, khakifarbene Shorts und ein kurzärmliges Hemd
der gleichen Farbe. Von reiner Neugier getrieben, ging ich zu ihm und sprach
ihn an: „Sie haben ja eine erstaunliche Energie, sich bei der Hitze so abzuplagen.
Die Tür vorne am Safe geht wohl nicht auf?“
    Er warf mir von der Seite einen

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