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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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und das Institut Wargnier ist das einzige seiner Art. Wir bekommen jedes Jahr Dutzende von Aufnahmeanträgen. Da geht es entweder um Menschen, die bestialische Verbrechen begangen haben und als unzurechnungsfähig eingestuft wurden, oder um Häftlinge, die an so schweren Persönlichkeitsstörungen leiden, dass sie nicht für den normalen Strafvollzug geeignet sind, oder aber um Geisteskranke, die so gefährlich sind, dass man sie in einer klassischen Einrichtung für forensische Psychiatrie nicht unterbringen kann. Selbst andere Einrichtungen zur Sicherungsverwahrung schicken uns ihre härtesten Fälle. Was geschieht mit diesen Leuten, wenn wir dichtmachen müssen?«
    Er wischte seine Brillengläser immer schneller.
    »Ich habe es ja schon gesagt, im Namen der Ideologie, der Rentabilität und der Budgetprioritäten wird in diesem Land seit dreißig Jahren die Psychiatrie zugrunde gerichtet. Diese Anstalt kostet die Allgemeinheit sehr viel. Im Unterschied zu den anderen Einrichtungen zur Sicherungsverwahrung haben wir hier allerdings ein Experiment auf europäischer Ebene, das zum Teil von der Europäischen Union finanziert wird. Aber eben nur zum Teil. Und in Brüssel gibt es auch nicht wenige Leute, die dieses Experiment skeptisch sehen.«
    »Wir haben nicht die Absicht, diese Information auszuplaudern«, erklärte Servaz.
    Der Psychiater sah ihn zweifelnd an.
    »Das wird sich herumsprechen, früher oder später. Wie wollen Sie Ihre Ermittlungen führen, ohne dass etwas an die Öffentlichkeit dringt?«
    Servaz wusste, dass er recht hatte.
    »Es gibt nur eine Lösung«, schaltete sich Confiant ein. »Wir müssen diesen Fall so schnell wie möglich aufklären, wenn wir verhindern wollen, dass sich die Presse draufstürzt und die verrücktesten Gerüchte in die Welt setzt. Wenn wir herausfinden, welcher deiner Mitarbeiter beteiligt war, bevor die Presse Wind von dieser DNA -Geschichte bekommt, haben wir zumindest bewiesen, dass niemand das Institut allein aus eigener Kraft verlassen konnte.«
    Der Psychiater nickte zustimmend.
    »Ich werde meine eigenen kleinen Nachforschungen anstellen«, sagte er. »Und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Ihnen zu helfen.«
    »Können wir jetzt vielleicht die Station A sehen?«, sagte Servaz.
    Xavier stand auf.
    »Ich bringe Sie hin.«
     
    Sie saß an ihrem Schreibtisch. Regungslos. Und hielt den Atem an …
    Sie hatte jedes Wort genauso klar und deutlich verstanden, als wäre es in ihrem Zimmer ausgesprochen worden. Die Stimme dieses Polizisten zum Beispiel … Es war die Stimme von einem, der erschöpft war und zugleich unter enormem Stress stand. Zu hoher Druck. Er hielt stand, aber wie lange? Jedes einzelne seiner Worte hatte sich förmlich in ihr Gehirn eingebrannt. Von dieser Geschichte mit dem toten Pferd hatte sie nichts begriffen, aber sie hatte mitbekommen, dass an einem Tatort die DNA von Hirtmann gefunden worden war. Und dass die Polizei den Verdacht hatte, dass ein Klinikmitarbeiter in diese Sache verwickelt war.
    Ein getötetes Pferd … ein ermordeter Apotheker … Verdächtigungen gegen das Institut …
    Die Angst war da, aber mittlerweile regte sich noch etwas anderes … eine unbezwingbare Neugier …
Die Erinnerung an den Schatten, der nachts an ihrer Tür vorbeistrich, kam wieder hoch …
Als Studentin hatte Diane einmal durch ihre Zimmerwand gehört, wie ein Mann das Mädchen in der Bude nebenan einschüchterte und bedrohte.
    Er war mehrere Nächte hintereinander gekommen, immer, wenn Diane kurz vorm Einschlafen war, und jedes Mal hatte er mit leiser, aber schneidender Stimme gedroht, sie umzubringen, sie zu verstümmeln, ihr das Leben zur Hölle zu machen – dann das Knallen der zugeschlagenen Tür, die Schritte, die sich im Flur entfernten. Dann war in der Stille nur noch das erstickte Schluchzen ihrer Nachbarin zu hören als trauriges Echo Tausender anderer Einsamkeiten, Tausender anderer Betrübnisse, die vom Schweigen der Städte umschlossen werden.
    Sie wusste nicht, wer dieser Mann war (seine Stimme war ihr nicht vertraut), und im Grunde kannte sie die junge Frau von nebenan auch gar nicht. Sie grüßten sich nur und wechselten ein paar belanglose Worte, wenn sie sich im Flur begegneten. Sie wusste lediglich, dass sie Ottilie hieß, dass sie einen Master in Wirtschaftswissenschaften vorbereitete, dass sie mit einem bärtigen Studenten mit Brille zusammen gewesen war, aber die meiste Zeit allein war. Kein großer Bekanntenkreis,

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