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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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hierhergefolgt … Ein Wagen hat mich an der Stelle, wo der Forstweg in die Straße einmündet, abgepasst …«
    Ziegler starrte ihn an. Ein Schatten der Sorge huschte über ihr Gesicht.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    Ein kurzer Moment erdrückenden Schweigens.
    »Wir müssen d’Humières davon erzählen.«
    »Nein. Ich hätte gern, dass das unter uns bleibt. Jedenfalls im Moment.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht … Confiant könnte das ausnützen, um mir den Fall zu entziehen. Natürlich unter dem Vorwand, mich zu schützen«, fügte er müde lächelnd hinzu.
    »Wer war das Ihrer Meinung nach?«
    »Die Handlanger von Eric Lombard?«
    »Oder die Mörder …«
    Sie sah ihn mit geweiteten Augen an. Ihm wurde klar, dass sie sich fragte, wie sie reagieren würde, wenn ihr das passiert wäre.
Die Angst ist eine ansteckende Krankheit,
sagte er sich. Dieser Fall barg ein Stück absolute Schwärze, eine zutiefst unheimliche kritische Masse, und diesem Kern der Geschichte kamen sie allmählich gefährlich nahe. Zum zweiten Mal fragte er sich, ob sie ihr Leben in Gefahr brachten.
    »Es ist Zeit, mit dem Bürgermeister zu sprechen«, sagte er plötzlich.
     
    »Machen Sie sich keine Sorgen, das wird schon gutgehen.«
    Diane betrachtete die hoch aufragende Gestalt von Monsieur Monde und erahnte unter dem Overall seine mächtigen Muskelmassen. Bestimmt machte er jeden Tag stundenlang Krafttraining. Er warf ihr einen freundlichen Blick zu, und sie nickte.
    Entgegen dem, was all diese Männer hier zu denken schienen, empfand sie keine besondere Furcht. Vielmehr eine lebhafte fachliche Neugier.
    Dann gingen sie schon durch den von Neonlampen erhellten Flur. Der blaue Teppichboden, der die Geräusche ihrer Schritte schluckte. Die weißen Wände …
    Im Hintergrund lief leise Musik – wie in einem Supermarkt. Irgendein New-Age-Stück, Harfen- und Klavierklänge, genauso ätherisch wie ein Atemzug.
    Die Türen …
    Sie ging daran vorbei, ohne sich den Sichtfenstern zu nähern. Xavier ging mit schnellen Schritten vor ihr her. Sie folgte ihm brav.
    Kein Geräusch. Es schien, als würden alle schlafen. Man kam sich vor wie in einem modernen, minimalistischen Fünf-Sterne-Designerhotel. Sie erinnerte sich an den langen, unheimlichen Schrei, den sie bei ihrem ersten Aufenthalt in diesen Fluren von der Sicherheitsschleuse aus gehört hatte. Hatte man sie heute eigens ruhiggestellt? Nein, Alex hatte ihr ja gesagt, dass Psychopharmaka bei den meisten wirkungslos waren.
    Xavier blieb vor der letzten Tür stehen; er gab eine Zahlenkombination in ein Tastenfeld ein und drückte dann die Klinke.
    »Guten Tag, Julian.«
    »Guten Tag, Doktor.«
    Eine tiefe, ruhige, urbane Stimme. Diane hörte ihn, ehe sie ihn sah.
    »Ich bringe Ihnen eine Besucherin, unsere neue Psychologin: Diane Berg. Sie ist Schweizerin wie Sie.«
    Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu. Julian Hirtmann stand bei einem Fenster mit Blick auf die Krone einer Weißtanne. Er wandte den Blick von der Landschaft ab und sah sie an. Er war über einen Meter neunzig groß, Dr. Xavier wirkte neben ihm wie ein Kind. Um die vierzig, kurzes braunes Haar, harte, gleichmäßige Gesichtszüge. Selbstbewusst. Nicht übel, sagte sie sich, sofern man verklemmte Typen mochte. Hohe Stirn, verkniffener Mund, kantiger Kiefer.
    Aber was ihr sofort auffiel, waren seine Augen. Durchdringend. Schwarz. Intensiv. Augen, die verschlagen funkelten, aber nicht zwinkerten. Er kniff die Augen zusammen, und sie spürte, wie sein Blick sie ganz einhüllte.
    »Guten Tag, Julian«, sagte sie.
    »Guten Tag. Psychologin, wie?«, sagte er.
    Sie sah Dr. Xavier lächeln. Auch auf Hirtmanns Lippen zeichnete sich ein verträumtes Lächeln ab.
    »In welchem Viertel von Genf wohnen Sie?«
    »Cologny«, antwortete sie.
    Er nickte und entfernte sich vom Fenster.
    »Ich hatte eine sehr schöne Villa am Ufer des Sees. Heute wohnen Neureiche darin. Leute, denen Computer und Handy alles sind, und kein einziges Buch im ganzen Haus. Herrgott! Percy Bysshe Shelley persönlich hat in diesem Haus gewohnt, als er in der Schweiz lebte, können Sie sich das vorstellen?«
    Er starrte sie mit seinen funkelnden schwarzen Augen an. Er erwartete eine Antwort.
    »Lesen Sie gern?«, fragte sie ungeschickt.
    Er zuckte mit den Achseln, unverkennbar enttäuscht.
    »Dr. Berg würde sich gern regelmäßig mit Ihnen unterhalten«, mischte sich Xavier ein.
    Er wandte sich ihr abermals zu.
    »Tatsächlich? Was habe ich davon? Einmal

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