Schwarzer Schmetterling
in der Finsternis zurückzubleiben. Sie zitterte – vor Kälte oder Angst.
Das ist doch Wahnsinn! Was mache ich hier?
Sie hatte absolut nichts zur Hand, um sich zu verteidigen! Außerdem musste sie aufpassen, wo sie ihre Füße hinsetzte: An einigen Stellen waren die Gänge, obwohl sie breit waren, durch einen Haufen alten Plunder – Lattenroste, Matratzen, eiserne Bettstellen, die an der Wand lehnten, ramponierte Waschbecken, kaputte Sessel und Stühle, Kartons, ausrangierte Computer und Fernseher – so verstopft, dass man kaum durchkam. Zu allem Überfluss bog die Gestalt in einem fort nach rechts und links ab und drang so immer tiefer ins Innere des Instituts vor. Diane konnte nur an dem verschwommenen, zitternden Lichtschein, der hinter der Gestalt herwanderte, erahnen, welche Richtung sie eingeschlagen hatte. Fast hätte sie aufgegeben und wäre auf dem gleichen Weg, auf dem sie hergekommen war, zurückgegangen. Aber dafür war es zu spät: In der Dunkelheit würde sie den Ausgang nie wiederfinden! Sie fragte sich, was passieren würde, wenn sie auf einen Schalter drückte und das ganze Kellergeschoss hell erleuchtet würde. Dann wüsste der da vorne, dass ihm jemand folgte. Wie würde er reagieren? Würde er umkehren? Diane blieb nichts anderes übrig, als dem wandernden Licht zu folgen. In der fast vollständigen Finsternis um sie herum kratzten winzige Krallen auf dem Boden.
Ratten!
Sie nahmen vor ihr Reißaus. Diane spürte, wie die Dunkelheit auf ihren Schultern lastete. Der Lichtschein wurde je nach dem Abstand zwischen ihnen heller oder schwächer …
Ihr wurde immer klarer bewusst, dass sie einem unüberlegten Impuls nachgegeben hatte. Weshalb war sie nicht in ihrem Zimmer geblieben?
Plötzlich hörte sie das Quietschen einer Eisentür, dann ging die Tür wieder zu – und sie fand sich in völliger Dunkelheit! Als hätte man ihr Augenklappen umgebunden. Sie war völlig orientierungslos … Sie sah weder ihren Körper noch ihre Füße, noch ihre Hände … Nichts als schwarz auf schwarz … Ein undurchdringliches Schwarz. Das Blut begann in ihren Ohren zu pochen, und sie versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war trocken. Sie drehte sich um – nichts. Da waren noch immer die dumpfen Geräusche des Belüftungssystems und des Wassers, das irgendwo heraussickerte, aber sie schienen ihr so weit weg und so nutzlos zu sein wie ein Nebelsignal für ein sinkendes Schiff in einer stürmischen Nacht. Dann erinnerte sie sich an ihr Handy, das noch immer in der Gesäßtasche ihrer Hose steckte. Zitternd zog sie es heraus. Das Display leuchtete noch schwächer, als sie befürchtet hatte. Es erhellte kaum ihre Fingerspitzen. Sie begann zu gehen, bis der matte Lichthof etwas anderes beleuchtete als ihre eigene Hand: eine Mauer. Oder wenigstens ein paar Quadratzentimeter Beton. Mehrere Minuten folgte sie langsam der Mauer, bis sie einen Schalter entdeckte. Die Neonröhren flackerten, ehe sie das Kellergeschoss erleuchteten, und sie stürzte zu der Stelle, wo sie die Tür hatte zuschlagen hören. Sie sah genauso aus wie die Tür, durch die sie in den Keller gekommen war. Sie drückte den Sicherheitsriegel auf, als ihr plötzlich einfiel, dass sie, sobald sie auf der anderen Seite war und die Tür wieder zu war, nicht mehr umkehren könnte. Sie ging ein paar Schritte in den Keller zurück, fand neben anderen ausrangierten Gegenständen ein Brett und schob es zwischen Tür und Rahmen, nachdem sie darüber hinweggestiegen war.
Eine Treppe und ein großes Glasfenster … Sie erkannte sie auf Anhieb wieder …
Hier war sie schon einmal gewesen …
Sie stieg die ersten Stufen hinauf, dann blieb sie stehen … Es wäre sinnlos weiterzugehen … Sie wusste, dass da oben eine Kamera hing. Und eine dicke Panzertür, die auf eine Sicherheitsschleuse ging.
Irgendjemand schlich sich nachts in Station A …
Jemand, der die Hintertreppen und das Untergeschoss benutzte, um den Überwachungskameras zu entgehen. Bis auf die über der Panzertür … Diane hatte feuchte Hände und ein sehr mulmiges Gefühl. Sie wusste, was das bedeutete: Dieser Jemand hatte einen Komplizen unter den Wachleuten von Station A.
Sie sagte sich, dass vielleicht nichts dahintersteckte. Mitarbeiter des Instituts, die, statt zu schlafen, heimlich Poker spielten; oder auch eine heimliche Affäre zwischen Monsieur Monde und einer Bediensteten. Aber tief in ihrem Innern wusste sie, dass hier etwas ganz anderes vorging. Sie hatte schon zu viel
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