Schwarzer Schmetterling
aussehen als Piranhas. Es gibt die
Pycnogonida,
die Spinnen gleichen, und Tiefsee-Beilfische, die wie tote Fische aussehen. Diese Kreaturen sehen nie das Tageslicht, sie steigen nie zur Oberfläche auf. Wie wir, Doktor. Sehen Sie denn nicht die Ähnlichkeit? Eben weil wir nicht wirklich existieren, im Gegensatz zu ihnen. Wir sind Absonderungen des Geistes dieser Geschöpfe. Jedes Mal, wenn in der Tiefe eines davon stirbt, stirbt hier einer von uns.«
Seine Augen hatten sich verschleiert, während er sprach, als wäre er in die Tiefen entschwebt, an den Grund der Meeresfinsternis. Die alptraumhafte Schönheit dieses absurden Vortrags hatte Diane einen eisigen Schauer über den Rücken gejagt. Sie hatte Mühe, die Bilder loszuwerden, die er in ihr hervorgerufen hatte.
Alles im Institut funktionierte nach Gegensätzen, hatte sie sich gesagt. Schönheit/Grausamkeit. Stille/Geschrei. Einsamkeit/enges Zusammenleben. Angst/Neugier. Seit sie hier war, trieben sie gegensätzliche Gefühle um.
Sie schlug die Akte über den Patienten György zu und konzentrierte sich auf etwas anderes. Den ganzen Abend hatte sie noch einmal über die Medikation nachgedacht, die Xavier einigen seiner Patienten auferlegte. Diese pharmazeutische Zwangsjacke. Und an seinen heimlichen Besuch in ihrem Büro. Hatte Dimitri, der Verwalter der Apotheke, Xavier erzählt, dass sie sich etwas zu sehr für seine Behandlungsmethode interessierte? Unwahrscheinlich. Sie hatte aus Dimitris Worten eine heimliche Feindseligkeit gegen den Psychiater herausgehört. Man durfte nicht vergessen, dass er erst seit einigen Monaten da war, als Nachfolger des Mannes, der diese Einrichtung gegründet hatte. Waren seine Beziehungen zu den Mitarbeitern angespannt?
Sie blätterte ihren Notizblock bis zu der Stelle durch, wo sie die Namen der drei geheimnisvollen Produkte fand, die Xavier bestellt hatte. Wie beim ersten Mal kamen ihr diese Namen völlig unbekannt vor.
Sie schaltete ihr Notebook an und startete Google.
Dann gab sie die ersten beiden Stichwörter ihrer Suchanfrage ein …
Diane zuckte zusammen, als sie entdeckte, dass Hypnosal einer der Handelsnamen von Thiopental-Natriumsalz war; dieses Anästhetikum war eine der drei Substanzen, die in den USA bei Hinrichtungen durch die Giftspritze den Todeskandidaten verabreicht wurden, und wurde auch bei der Euthanasie in den Niederlanden angewandt! Eine andere Handelsform trug einen recht bekannten Namen: Pentothal. Es wurde eine Zeitlang zur Narkoanalyse verwendet. Bei der Narkoanalyse wurde ein Anästhetikum verabreicht, um dem analysierten Patienten zu helfen, vermeintlich verdrängte Erinnerungen wieder ins Bewusstsein zu heben. Dieses Verfahren war nach erheblicher Kritik längst aufgegeben worden, da sich die Existenz traumatischer Erlebnisse, die unwillkürlich verdrängt wurden, wissenschaftlich hatte nie beweisen lassen.
Was führte Xavier im Schilde?
Das zweite Suchergebnis machte sie noch perplexer. Auch Xylazin war ein Anästhetikum – allerdings in der Tiermedizin. Diane fragte sich, ob ihr etwas entgangen war, und sie recherchierte weiter unter den verschiedenen Treffern, die die Suchmaschine lieferte, aber sie fand keine weiteren bekannten Anwendungen. Sie hatte das Gefühl, im Dunkeln zu tappen. Was hatte ein Produkt aus der Tiermedizin in der Klinikapotheke verloren?
Schnell tippte sie das dritte Produkt ein. Sie zog die Brauen hoch. Wie die beiden anderen Substanzen war auch Halothan ein Anästhetikum. Doch aufgrund seiner hohen Toxizität für Herz und Leber war es, abgesehen von den Entwicklungsländern, aus den Operationssälen verschwunden. Allerdings war Halothan seit 2005 gar nicht mehr zur Anwendung beim Menschen zugelassen. Wie Xylazin durfte auch Halothan nur noch in der Tiermedizin eingesetzt werden.
Diane lehnte sich gegen die Kopfkissen zurück und dachte nach. Ihres Wissens gab es keine Tiere im Institut – nicht einmal einen Hund oder eine Katze (sie glaubte verstanden zu haben, dass einige Insassen eine panische Angst vor Haustieren hatten). Sie nahm ihr Notebook auf den Schoß und ging noch einmal die Informationen durch, über die sie verfügte. Plötzlich blieb ihr Blick an etwas hängen. Beinahe wäre ihr das Wichtigste entgangen: Die drei Substanzen wurden nur in einem einzigen Fall zusammen verabreicht: zur Betäubung eines Pferdes … Diese Information fand sie auf einer speziellen Website für Tiermediziner. Der Redakteur, der selbst ein Spezialist für
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